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Noir

Noir

Titel: Noir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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bemalt.»
    «Was bedeutet das?», fragte Julia ehrfürchtig.
    «Keine Ahnung.» Philip lachte. «Ich hab dem Guru gesagt, er soll mal machen.»
    «Du weißt nicht, was er auf deinen Arm tätowiert hat?»
    «Nö.»
    «Wahrscheinlicht steht da
scheiß Touri
», sagte Nino.
    Julia lachte. «Du bist ja gemein …»
    «Ich bevorzuge ‹zynisch›. Zynismus ist ein Charakterzug, den man sich durch langjährige Verbitterung erst verdienen muss, Gemeinheit dagegen kann angeboren sein und ist, wie das Wort schon impliziert, einer breiteren Masse beschieden. Ich bin stolz darauf, mir meine schlechten Eigenschaften durch Leid verdient zu haben.»
    Julia lächelte noch immer. «Was hat dich denn so verbittert?»
    Er sah ihr in die Augen und betrachtete seine schemenhafte Reflexion darin, wie er sie schon in vielen Frauen und ähnlichen Situationen betrachtet hatte. «Ein Leben mit dem Tod.»
    «Oh Gott», stöhnte Philip. «Seine Eltern sind gestorben, als er noch in Windeln gekackt hat.
So what
, mein Alter hat mich ständig verkloppt! Und der gute Rainer hier – River, mein ich, sorry – ist bestimmt ein ganz armes Scheidungskind. Fall bloß nicht auf seine Harry-Potter-Nummer rein, Julia, wir sind alle Kinder vom Bahnhof Zoo.» Er ließ seine Hand auf ihren Oberschenkel fallen. «Du hast es bestimmt auch schwer gehabt. Aufgewachsen im Problembezirk, zu schön, um unbelästigt durch die Jugend zu kommen, an die falschen Freunde geraten, erst Zigaretten, dann Alkohol … dann Sex zu dritt …»
    «Ich komm vom Land. Meine Eltern haben da ihre Zahnarztpraxis.»
    «O Mann, du hast offiziell den Mitleidspreis gewonnen. Zahnarztkind!» Philip pfiff durch die Zähne. «Bestimmt bist du mit einer Perlenkette auf die Welt gekommen.»
    «Nicht ganz. Die Oberschicht hat es auch nicht immer leicht. Meine Freundin Mona, die ist zum Beispiel adoptiert.»
    «Ach weißt du, ich bin wahrscheinlich auch ein Kuckuckskind, meine Ma ist eine ganz Durchtriebene.» Als würde ihm das stimmungssenkende Potenzial ihrer Unterhaltung schlagartig bewusst, fummelte Philip ein Knäuel Frischhaltefolie aus der Hosentasche. «Übrigens ist hier die Probe, die Kostprobe.»
    Julia quiekte. «Ich bin so gespannt!»
    «Du musst keine Angst haben», mischte sich River ein. «Ich hab das schon oft genommen. Ein Traum. Wirklich.»
    «Ist das Koks?», fragte Nino.
    River schloss bedeutsam die Augen. «Das ist STYX .»
    Er meinte, schon einmal etwas davon gehört zu haben, wartete aber, dass River weiter erklärte.
    « STYX . So heißt in der griechischen Mythologie der Fluss, der die Welt der Lebenden vom Hades trennt.»
    «Ja, das weiß ich», sagte Nino. «Aber was ist das für ein Zeug?»
    Philip zwirbelte behutsam das Bömbchen auf und kippte den Inhalt auf ein weißes Blatt Papier, das auf einem dicken Modebuch in ihrer Mitte lag. «Vor allem schärft es die Sinne.»
    «Kriegt man Halluzinationen?»
    «Nein, STYX ist klar und … warm. Als würde dein Hirn in einem sonnigen Bergsee baden gehen. Kannst es ja probieren.»
    Ein neues Lied kam aus den Lautsprechern. «Ich liebe den Track! Auch wenn er schon voll alt ist.» Julia ließ sich nach hinten sinken und wippte mit den Füßen, während Philip die kleinen, bläulichen Kristalle mit einer Bankkarte zerdrückte und in vier Lines aufteilte.
    River zog einen eingeschweißten Strohhalm von Starbucks aus seinem Rucksack, schnitt ihn auf Viertellänge und reichte ihn Julia, als die Lines fertig waren.
    Sie schniefte und gab den Strohhalm an Philip weiter. Nino beobachtete, wie auch sein Freund die Droge wegzog.
    «Danke, heute nicht.» Er gab den Strohhalm an River zurück.
    Julia seufzte und legte ihren Kopf auf seine Brust. Ihr feines blondes Haar roch nach einem kräftigen künstlichen Aroma. Er fragte sich, wie viel an ihr echt war. Ob das, was an ihr echt war, genauso betörend wäre wie die Nachahmungen.
    River begann mit halb geschlossenen Augen zu faseln.
    «… nur weil etwas logisch gesehen keinen Sinn macht, heißt das doch nicht, dass es nicht existieren kann, oder? Die Wissenschaft – sagen wir, die westliche Wissenschaft – versucht die Welt und das Unbekannte mit dem menschlichen Verstand zu ergründen. Aber was ist der Mensch? Er hat sich doch selbst noch nicht ergründet, er ist selbst ein Produkt des Unbekannten …»
    «Krass», murmelte Julia. Vielleicht meinte sie aber auch nur das Lied, das aus den Lautsprechern dröhnte.
    «Die Wissenschaft hat einen Hass auf das Spirituelle,

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