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Noir

Noir

Titel: Noir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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milchige Flüssigkeit, die aussieht wie Aliensekret aus einem Science-Fiction-Film. Nicht zum ersten und bestimmt nicht zum letzten Mal fragst du dich, was das Zeug wirklich ist. Das, was die Lebenden von den Toten trennt , hat Amoke gesagt. Der schmale Grat, auf dem die Träumenden zwischen Wachsein und Schlaf wandeln. Aber Amoke hat vieles gesagt, was nicht stimmte.
    «Noir? Heute Morgen, das … ist das wirklich passiert?»
    Sie schließt den Drogenkoffer und drückt dich an sich. Du spürst ihr Herz zwischen den kleinen Brüsten im Takt mit deinem schlagen. «Das weißt du.»
    Vermutlich. Du findest nur keine Worte dafür und hast gehofft, sie könne dir die Last abnehmen.
    Eine unmessbare Zeit lang hält sie dich umschlungen, während die Wirkung der Droge sich um euch ausbreitet wie Glasblasen.
    «Ich habe die beiden Geister nicht gesehen», murmelt sie dann. «Meine Sinne verändern sich.»
    «Du wirst echt, deshalb.»
    «Ich kann dich nicht mehr vor denen warnen, die du nicht wahrnimmst.»
    Es dauert, bis du weitersprechen kannst, weil das STYX meine kognitiven Fähigkeiten verlangsamt . «Meinst du, es verfolgen uns noch mehr Mentoren?»
    «Ich weiß nicht. Wahrscheinlich.»
    Unter meiner Jacke trage ich die Schusswaffe. Keine Ahnung, wie viele Kugeln noch übrig sind. Hoffentlich finde ich es nie heraus.
    Ich stehe auf, küsse Noir auf Mund und Stirn, um ihre Temperatur zu messen. Ja, das STYX tut seine Wirkung.
    Hand in Hand verlassen wir die Männertoilette und ernten einen langen Blick von der Toilettendame.

[zur Inhaltsübersicht]
7 .
    A ls er an Julias Tür klingelte, machte ihm ein Mädchen in Pyjama und Plüschpantoffeln auf, das er noch nie gesehen hatte. Sie stellte sich mit routinierter Gleichgültigkeit als eine der Mitbewohnerinnen vor und wies ihm, bevor er danach fragen konnte, den Weg zu Julias Zimmer.
    Im Näherkommen hörte er Stimmen und elektronische Musik. Er klopfte an die Tür und trat dann ein. Julia saß auf dem Bett. Mit Philip. Und dem Typen aus der Séance.
    «Nino!» Philip richtete sich verwundert auf.
    «Hey, du bist ja gekommen!» Julia beugte sich vor, um ihn mit ihren ungeschickten, zappeligen Armen zu umschließen. Sie sah toll aus, obwohl sie über dem bauchfreien Top und den Jeansshorts eine groteske Fellweste trug, die die letzten 35  Jahre in einem Container der Altkleidersammlung verbracht haben musste. Unter dem muffigen Geruch des Fells, dem Zigarettenqualm und Parfum roch sie nach stickiger, süßer Weiblichkeit. Dann tauschte er einen Handschlag mit Philip, der immer noch verdutzt dreinblickte, und schüttelte dem Brillenmann die Hand, dessen Name ihm jetzt wieder einfiel: River. So hieß kein normaler Mensch wirklich.
    «Ich bin Nino. Wie heißt du noch mal?», fragte er.
    «Nenn mich River, so nennen mich alle.»
    «River? Wie Fluss auf Englisch?»
    «Einfach River, ja.» Er setzte die Bierflasche an die Lippen und trank, um auf weitere Fragen nicht mehr antworten zu müssen. Wahrscheinlich war auch er Julias Einladung gefolgt, ohne über die anderen Anwesenden informiert worden zu sein.
    «Ich wusste nicht, dass du heute Abend dabei bist», sagte Philip, als er sich neben ihn aufs Bett gesetzt hatte.
    «Ich wusste auch nicht, dass du da bist.»
    Philip ging nahtlos in das Gespräch über, das sie vor seiner Ankunft geführt hatten, und erzählte von einem Festival in Kopenhagen, bei dem er als Barkeeper gearbeitet hatte. Julia fragte ihn aufgeregt nach den DJ s, die er gehört hatte, denn einer von ihnen war ihr Exfreund.
    «Er ist so ein Genie», schwärmte sie, «ich meine, er war von Anfang an dabei, als elektronische Musik hier entstanden ist. Er ist auch schon dreiundvierzig, aber er ist echt ein Genie, ich liiiebe seine Musik!»
    Während sie und Philip die Unterhaltung über DJ s und Festivals vertieften, versuchte Nino herauszufinden, was zwischen den beiden war. Offensichtlich gefiel ihr Philips Aufmerksamkeit. Aber er war zu leicht zu haben, zu durchschaubar in seinem Buhlen um eine Frau wie sie, die in der Liebe Trophäen suchte. Gerade schob er den Ärmel seines T-Shirts hoch und entblößte einen indischen Schriftzug auf seinem Oberarm.
    «Hab ich mir bei meinem letzten Indienurlaub machen lassen, das wurde nach traditioneller Methode tätowiert, ohne Maschinen, Nadelstich für Nadelstich. Der Typ saß einfach in seiner Hütte wie ein Guru, und ich geh hin, und wir verständigen uns mit Händen und Füßen, dass er mich für die Ewigkeit

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