Noir
sie doch selbst.»
«Wie heißt sie?»
«Na, fragen Sie sie!»
Nino wich erschrocken zurück – Amor hatte ihm beinah ins Ohr geflüstert, ohne dass er gemerkt hatte, wie er so nah herangekommen war. Der Atem, den er auf der Haut spürte, war nicht warm.
Amor nickte aufmunternd, dann drehte er sich um und schritt zum Club zurück. Nino verlor ihn zwischen den Anstehenden aus den Augen.
Als er sich wieder dem Maserati zuwandte, beobachtete sie ihn immer noch aus dem Fenster. Ihr Blick schien etwas zu sagen … aber er wusste nicht, was. Intensive Leere.
Wie schwebend ging er zu ihr hinüber. Obwohl sie wieder Lederhandschuhe trug, konnte er sehen, dass die Zigarette zwischen ihren Fingern ein wenig zitterte.
Er blieb vor ihr stehen, und sie sahen sich an.
«Willst du eine Zigarette?» Ihre Stimme war so dünn, ein Windhauch zwischen blattlosen Zweigen.
«Ja», sagte er.
Statt eine Zigarette aus der Schachtel zu nehmen, die sie ihm aus dem Fenster anbot, nahm er die Zigaretten aus seiner Hosentasche.
«Das sind auch deine. Leider hat es so lange gedauert, sie zu besorgen, dass du schon verschwunden warst, als ich zurückkam.»
Sie nickte ernst. «Jetzt bin ich wiedergekommen.»
«Ja.»
Er zündete sich eine Zigarette an.
Schweigend beobachtete sie ihn beim Rauchen. Er blies den Qualm eilig fort, damit er ihm nicht die Sicht auf sie trübte.
«Willst du einsteigen?»
Zum dritten Mal sagte er: «Ja.»
Nino ging um den Wagen herum, öffnete die Tür und schob sich auf den Beifahrersitz. Man saß, nein, man
lag
praktisch auf der Straße. Er fuhr die Scheibe runter und hielt die Zigarette nach draußen.
Sie sah ihn nicht direkt an, aber er wusste, dass sie ihn beobachtete. Die Zeit schien in die Länge gezogen, jede Sekunde war eine kleine Unendlichkeit. Zögernd ließ sie ihre Zigarette aus dem Fenster fallen.
«Wieso siehst du mich an?» Das letzte Wort hing lose am Satz, ein Feigenblatt, das die nackte Wahrheit eher betonte als verhüllte.
«Ich weiß nicht. Wie heißt du?»
«Mein Name?» Ihre Stimme war kaum zu hören, obwohl sie nicht flüsterte. Sie kam einfach von sehr weit her.
Er betrachtete ihr Ohr. Die einzelnen Strähnen ihrer Haare. Ein Auto fuhr vorbei und ließ bläuliches Licht über ihr schönes Gesicht wandern. Alles an ihr war echt, trotzdem erkannte er deutlicher denn je, dass sie ein
Bild
war. Ein täuschend reales Gemälde.
«Du bist anders», sagte er, ohne zu verstehen, was genau er damit meinte.
«Ich soll dich zu ihm fahren. Schnall dich an.»
«Monsieur Samedi ist mir egal. Wer bist du?»
Der Motor sprang an, als würde der Wagen zum Leben erwachen. Mit einem kräftigen Ruck fuhr sie nach hinten, drehte das Lenkrad und gab Gas.
Minuten schienen zu vergehen, während die Stadt sich hinter den Fenstern zu bunten Galaxien überschlug.
«Träume ich?», fragte er ruhig.
«Nein.»
Als eine rote Ampel auftauchte, bremste sie und zündete sich erneut eine Zigarette an.
Er beäugte sie. «Mache ich dich nervös?»
Sie stieß hörbar den Qualm aus der Nase. «Was?»
Er lächelte. «Also ja.»
Sie gab ein Geräusch von sich, das eher verzweifelt als belustigt klang.
«Keine Sorge. Die meisten gutaussehenden Männer wissen nicht, dass sie gut aussehen. Aber ich komm damit klar.»
Sie sagte nichts. Konzentriert sah sie zur Ampel auf und gab Gas, sobald es gelb wurde.
«Das war ein Scherz», murmelte er eine Weile später. Und konnte es sich nicht verkneifen, weiter in die Sackgasse voranzustapfen: «Ich komme überhaupt nicht damit klar, dass ich gut aussehe, deshalb rede ich auch so einen Blödsinn, anstatt einfach darauf zu vertrauen, dass du sowieso auf mich stehst.»
Sie lächelte nicht einmal ansatzweise. In seinem ganzen Leben hatte er nie mehr darunter gelitten, dass jemand ihn ernst nahm.
«Ich rede Unsinn. Egal. Sag mal, wie du heißt.»
«Warum?»
«Gerade sitze ich in deinem Auto, obwohl ich Autos hasse. Nichts gegen deinen Maserati, nur … während ich dir mein Leben anvertraue, könntest du mir auch deinen Namen verraten, meinst du nicht?»
«Du vertraust mir dein Leben nicht an.»
«Darf ich mir einen Namen für dich ausdenken? Hildegard? Oder Gerlinde?»
«Das sind sehr alte Namen.»
Er ahnte, dass sie sich nicht provozieren lassen würde, und fragte stattdessen: «Wie alt bist du?»
Sie bog scharf ab und überholte die anderen Autos auf einer doppelspurigen Schnellstraße. «Zwanzig.»
«Zwanzig, sagt sie.» Seine Hände krampften sich um
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