Noir
entließ sie in die Tiefgarage, wo sie wieder in den BMW stiegen.
«Ich kenne ein tolles Café in der Nähe. Von dort aus kann ich zum Laden laufen.» Er beschrieb ihr den Weg dorthin, und tatsächlich, sie schien ihr Versprechen zu halten und folgte den Anweisungen. Nicht weit entfernt fanden sie einen Parkplatz. Sie wirkte nervös. Als sie ausstieg, wurde sie von einer Joggerin angerempelt, die sich obendrein nicht einmal entschuldigte.
«Alles in Ordnung?» Nino kam um den Wagen herum und wollte ihr eine Hand auf die Schulter legen, doch sie wich zurück und zündete sich dann eine Zigarette an.
Als sie den Rauch durch die Nase stieß, wollte er sie an sich reißen und küssen. Stattdessen nahm er sich ebenfalls eine Zigarette und rauchte mit ihr auf dem Bürgersteig.
«Im Café kann man nicht rauchen, oder?»
Er schüttelte den Kopf.
Sie waren die ersten Gäste, die sich an einen Tisch setzten. Die beiden Bedienungen am Tresen waren dabei, frische Kuchen in die Auslage zu stellen. Es roch köstlich nach Backwaren und Butter und dem Shampoo im noch feuchten Haar der Studenten, die sich einen Kaffee zum Mitnehmen holten. Nino nahm eine zweite Speisekarte vom Nachbartisch und reichte sie Noir, die zusammengekauert auf der Holzbank saß.
«Also, ich glaube, ich nehme amerikanische Pancakes mit Blaubeersoße. Und dazu einen Mango-Shake.» Er klappte die Karte zu. «Und du?»
«Ich …»
Die Bedienung kam, eine junge Frau mit Locken und einer kleinen Tochter namens – was, Becky? Betty? –, dabei wollte er das alles gar nicht wissen, nicht jetzt.
«Wissen Sie schon?»
Mit dem Vater des Mädchens war sie zusammen seit der elften Klasse, also jetzt schon neun Jahre. Was für ein friedliches Leben. Wie viel Frieden von ihr ausging, trotz des Geldmangels, und er hatte keinen Job, und sie wollte ja auch nicht ewig als …
«Weißt du, was du nimmst?», fragte er Noir.
Sie starrte ihn reglos an.
Als das Schweigen unhöflich wurde, räusperte er sich. «Also, für mich bitte die Pancakes. Und einen Mango-Shake.»
«Okay», sagte die Bedienung in einem Ton, als wäre gar nichts okay, und wollte wieder hinter den Tresen eilen.
«Äh, das war noch nicht alles.» Er wies auf Noir. «Sie möchte auch etwas essen.»
«Ich nehme, was du nimmst», murmelte Noir.
Weil sie offenbar nicht vorhatte, ihre Bestellung selbst aufzugeben, wandte er sich an die Bedienung: «Pancakes und einen Mango-Shake.»
«Das habe ich schon.»
«Genau. Und dasselbe noch mal.»
«Dasselbe noch mal. Also doppelt.» Die junge Frau sah ihn an, als verlangte er etwas Ungeheuerliches.
«Sie haben es erfasst.»
Die Bedienung verschwand in der kleinen Küche, wo sie ihrer Kollegin etwas zu murmelte. Beide sahen befremdet zu ihnen herüber.
«Na toll, jetzt bin ich ein Macho», seufzte er.
Noir schien nicht zu begreifen.
«Na, die Kellnerin ist brüskiert, weil ich für dich bestellt habe. Weil ich dich anscheinend bevormunde.»
Sie kicherte. Tatsächlich, da versuchte er einmal nicht lustig zu sein, und plötzlich brachte er sie zum Lachen. Glöckchenhafte Laute sprudelten aus ihr hervor, die etwas in ihm zum Zittern und Schmelzen brachten.
«Bevormundest du mich denn?», murmelte sie.
«Ich? Ich bin bei einer lesbischen Schwester aufgewachsen, es ist ein Wunder, dass ich mich noch nicht eigenhändig kastriert habe.»
Sie kicherte immer noch. Ihr Gesicht war entzückend rot angelaufen. Eine Weile konnte er nichts anderes tun, als dümmlich zurückzulächeln, obwohl sein Triumph darunter litt, dass er auf Katjuschas Kosten ging.
«Erzähl mehr.»
«Erzählen? Also …» Etwas Lustiges. Etwas Intelligentes. Beides zusammen, schnell. «Also, pass mal auf, was die Kellnerin tun wird, wenn sie die Rechnung bringt. Ich wette, dass sie die Rechnung vor mich legt. Dass der Mann sich noch als Ernährer aufspielen muss, hat nämlich dann gar nichts mit Gleichberechtigung zu tun. Das sind einfach Manieren.»
«Um was wetten wir?»
«Die Rechnung?»
«Einverstanden.» Sie lächelte, machte aber keine Anstalten, ihm die Hand zu geben. Eine Weile schwiegen sie, und Noir stützte das Gesicht auf die Faust und sah aus dem Fenster.
«Ich glaube nicht», murmelte sie.
«Was denn?»
«Ich glaube nicht, dass Frauen gerne eingeladen werden, weil sie noch eine andere Gegenleistung für Liebe wollen als Liebe.»
«Was hast du dann mit Monsieur Samedi zu schaffen?», fragte er in einem beiläufigen Ton, der die Unverschämtheit der Frage
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