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Nomaden des Weltalls

Titel: Nomaden des Weltalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Micah versteht sich als Teil eines Ideensystems, als Teil von etwas, das so unwirklich ist wie ein Gedanke in seinem Kopf. Und ihr vom Schiff denkt an Metall und Feuer und an die Leere dort draußen; für euch ist das Leben nur eine Bewegung in toter Materie. O nein!« Sie vergrub ihr Gesicht in Seans Schulter.
    »Und wie verstehen Sie sich dann?« fragte Trevelyan. »Was ist für Sie Wirklichkeit?«
    Sie sah wieder auf. »Das Leben«, sagte sie. »Das Leben zwischen Anfang und Ende von Raum und Zeit, die Kräfte ... nein, das Sein und Werden. Es ...« Hilflos verstummte sie. »Ihr habt keine Worte dafür. Ihr versucht, das Leben zu verstehen, indem ihr es von außen betrachtet wie ein Ausstellungsstück im Museum. Man kann es nicht verstehen, man muß es fühlen ... erleben. Und das ist unmöglich, wenn man Gefangener seines Körpers ist. Man muß sein wie eine Welle in einem Strom. Sie geht auf und nieder, aber der Strom fließt weiter.«
    Sean streichelte ihr über das Haar. »Seltsame Dinge sagst du da, Liebling«, murmelte er. Seine Lippen berührten leicht ihre bleiche Wange.
    »Bergson«, sagte Trevelyan.
    »Hm?« Nicki runzelte fragend die Stirn.
    »Ein Philosoph auf der Erde – vor langer Zeit. Ilaloas Gedanken sind den seinen sehr ähnlich. Aber ich bezweifle, ob er sie so in Wirklichkeit umsetzte, wie sie es könnte. Eines Tages«, fügte er nachdenklich hinzu, »möchte ich von Ihnen mehr über Ihr Volk erfahren, Ilaloa. Ich war so eifrig dabei, mich mit dem Schiff vertraut zu machen, daß ich gar nicht recht mit Ihnen Bekanntschaft schließen konnte. Aber ich glaube, daß Sie mich etwas lehren könnten.«
    »Ich will es versuchen.« Ihre Stimme war fast unhörbar.
    »Micah«, begann Nicki langsam, »sind wir Nomaden so grundverschieden von Ihnen in der Union?«
    Er nickte. »Mehr als wir glauben.«
    »Ich meine ... unsere Lebensformen sind verschieden, ja, aber wir sind trotzdem menschliche Wesen, von Sol bis zum Rande der Galaxis. Und ist unser Denken wirklich so anders?«
    »Natürlich. Wir sind alle aus Fleisch und Blut. Worauf wollen Sie denn hinaus?«
    »So, wie Sie vorher sprachen, hätte man glauben müssen, daß Sie uns für eine Art feuerspeiender Drachen halten. Da habe ich mich gefragt, wie Sie und ich – das heißt, unsere Völker – jemals miteinander auskommen könnten.«
    »Kampf muß nicht sein«, antwortete er. »Aber so lange die beiden Kulturen existieren, kann es zu keiner wirklichen Einheit kommen. Die Dinge, für die wir leben, sind einfach zu anders. Denken Sie nur einmal an Nomaden, die versuchten, sich in einer Kolonie niederzulassen.«
    »Ich dachte schon, daß Sie das sagen würden.« Langsam nahm Nicki ihre Hand von der seinen. Er machte keine Bewegung.
    »Ich glaube, ich mache einen kleinen Rundgang im Park«, sagte Sean etwas verlegen. »Du kommst doch mit, Lo?«
    Ilaloa und er hatten sich bereits erhoben, als alle vier spürten, wie ein kurzes, schmerzliches Pulsieren durch ihren Körper ging.
    »Was zum Teufel ...!« Nicki war aufgesprungen.
    »Die Gravitationsfeld-Generatoren ...« begann Sean.
    Eine neue Welle durchfuhr sie. Die Blätter, durch die jetzt ein seltsam stöhnender Luftzug ging, verschwammen vor ihren Augen. Schreie waren zu hören. Jemand fluchte.
    »X«, stieß Sean hervor. »Sie greifen uns an!«
    Trevelyan stand jetzt hinter Nicki und hatte sie an den Armen gepackt. »Nein!« rief er. »Ein Schiff in Hyperdrive kann man nicht angreifen. Es ...«
    Ilaloa schrie auf.
    Als Trevelyan zu ihr hinüberschaute, sah er die Sterne auf dem Sichtschirm erzittern. Ein Blitz, und das Bild war tot. Rauch stieg aus der Röhre empor.
    Eine neue Welle warf sie zu Boden. Metall ächzte. Trevelyan sah, wie ein Eichenast quer durch den Park flog. Unsicher kam er wieder auf die Beine. Nicki stolperte gegen ihn, und er nahm sie schützend in seine Arme.
    Blitze flammten auf, eine bläulich-weiße Hölle elektrischer Entladungen von Wand zu Wand. Gleich darauf kam dröhnender Donner, der die Schiffshülle widerhallen ließ, als sei sie ein riesiger Gong. Der Boden unter ihnen hob und senkte sich. Das Licht ging aus. Gespenstisch zuckten Entladungen durch die Finsternis.
    Durch den Tumult hörte Trevelyan die elektronisch verstärkte Stimme wie einen Ruf aus der Ferne: »Micah! Trevelyan Micah, können Sie mich hören? Kommen Sie auf die Brücke – ich brauche Sie!«
    Blitze zerrissen das Dunkel, und die Stimme verstummte. Eine Alarmsirene ertönte, absurd und überflüssig.

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