Nomadentochter
Mal, wenn ich einen Schritt machte, stolperte ich, was mich ziemlich irritierte. Als wir ans Gate kamen, sah uns der Mann am Schalter nur an, als ob wir verrückt seien.
»He, warten Sie mal«, ereiferte ich mich. »Oben hat man uns gesagt, wir sollten wegen unserer Koffer hierher kommen. Was ist eigentlich los? Ich möchte jetzt mal langsam eine Antwort bekommen.« Er kratzte sich bloß am Kopf und warf Mohammed einen Blick zu. Dann wandte er sich ab und drehte uns den Rücken zu. Ich begann zu schreien: »Was sollen wir denn tun? Vielleicht ohne Koffer weiterfliegen? Wann kommt denn endlich unser Gepäck?«
»Das weiß ich nicht«, wandte sich der Mann an Mohammed. »Warten Sie dort drüben.« Er wies auf eine Reihe von Holzbänken. »Wir sagen Ihnen Bescheid.«
Flugzeuge landeten und starteten. Leute wurden von Verwandten und Freunden abgeholt. Fast jede Frau trug den traditionellen schwarzen Schador, die Männer durften sich so kleiden, wie es ihnen gefiel. Manche hatten Hemd und Hose an, andere muslimische Gewänder. Die Sonne ging unter, und draußen wurde es dunkel. »Mohammed«, sagte ich, »sieh bitte auf den Tickets nach, wann unser Flug nach Somalia geht. Ich möchte ihn nicht versäumen.« Mohammed holte die Tickets heraus, hatte aber Schwierigkeiten, die Abflugzeiten zu erkennen. »Gib mir die Tickets, ich frage jemanden, damit wir die Maschine nicht verpassen.« Ich zog meinen Schal über den Kopf und über mein Gesicht. Aber da er aus Seide war, rutschte er immer wieder herunter. Dann ging ich mit den Tickets an den Schalter der Fluggesellschaft. »Wir haben den ganzen Tag auf unsere Koffer gewartet und ich muss wissen, wann unser Flug nach Somalia geht. Wir dürfen diesen Anschluss nicht verpassen.«
»Heute gibt es keine Flüge nach Somalia mehr«, verkündete er und blätterte in den Papieren, die vor ihm lagen.
»Entschuldigung«, beharrte ich und ließ meinen Schal auf die Schultern gleiten. Mir war es egal, ob er mich für eine Muslimin hielt oder nicht. »Was ist mit unserem Flug? Niemand hat uns etwas gesagt, und niemand will uns helfen. Wie soll das eigentlich weitergehen?«
»Es gibt heute keine Flüge nach Somalia mehr«, wiederholte er, ohne aufzublicken.
Ich trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tresen, damit er mich endlich ansah. »Das kann nicht sein, da liegt ein Irrtum vor.«
»Zeigen Sie mir Ihre Tickets«, seufzte er, als würde ich ihm riesige Probleme bereiten. Er kontrollierte sie und zeigte dann auf die Zahlen in den Kästchen. »Sehen Sie hier«, schnarrte er unfreundlich, »Sie sind am neunundzwanzigsten September abgeflogen und fliegen erst am zweiten Oktober nach Somalia.«
»Was?«, stammelte ich.
»Heute«, sagte er betont langsam, »ist der dreißigste September. Ihr Flug geht am zweiten Oktober, also in zwei Tagen.« Ich kam mir unsäglich dumm vor, so wie er bei seinen Worten auf die Zahlen in den Kästchen deutete. Dann schob er mir die Tickets zu, als sei ich unrein oder so.
»Mohammed!«, schrie ich. »Ist dir klar, dass wir in diesem stinkenden Gelände zwei Tage warten müssen? Das wusste ich nicht!« Er sah mich verwirrt und besorgt an. »Diese Leute hier behandeln mich wie den letzten Dreck«, schimpfte ich. »Sie reden nicht einmal mit mir, weil ich eine Frau bin. Nun, entschuldige, aber ich bin auch Muslimin.« Mohammed blickte mich unbehaglich an, er knetete die Hände.
Ich atmete tief durch, und als ich mich wieder beruhigt hatte, fiel mir ein, dass meine Schwester Fartun in Abu Dhabi lebt. Sie arbeitet als Hausangestellte bei einer saudischen Familie und wohnt ganz in der Nähe des Flughafens. »Wir nehmen ein Taxi und fahren zu Fartun«, informierte ich Mohammed. »Dann können wir zumindest unsere Schwester besuchen, uns duschen und schlafen, während wir auf den Flug warten.«
Wir ergriffen unser Handgepäck, und ich wusch mir auf der Toilette das Gesicht. Dann schlang ich mir den Schal fest um den Kopf in einem weiteren Versuch, mich korrekt zu bedecken. Ich fand es schrecklich, ständig verschleiert herumlaufen zu müssen. Was hatte ich bloß verbrochen, dass man mich so behandelte?
Als wir zur Passkontrolle kamen, konnte Mohammed ungehindert hindurchspazieren. Er hat Reisepapiere aus Holland und brauchte kein Visum. Meinen Pass jedoch knöpfte sich ein Zollbeamter mit einer Nase wie ein Adler vor und blätterte Seite für Seite um.
»Sie haben kein Visum für die Vereinigten Emirate«, erklärte er mir langsam, als sei ich ein Kind.
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