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Nomadentochter

Titel: Nomadentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waris Dirie
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Reisplatte mit Tee, in den sie ein wenig
ghee
gegeben hatte, den Männern serviert. Während sie aßen, säuberte sie die Kochtöpfe und räumte auf. Was vom Essen übrig blieb, trug sie wieder an die Kochstelle und erst dann aß sie mit den Kindern die Reste.
    An meinem ersten Tag zu Hause kam Nhurs Mutter aus dem Wüstenlager, in dem sie lebte, ins Dorf. Das machte sie täglich. Sie war eine der schönsten Frauen, die ich jemals gesehen habe: einmal wegen ihrer stattlichen Größe und dann wegen ihrer grünen Augen in dem perfekt geformten Gesicht. Als Kleidung besaß sie jedoch nur Lumpen, einen verschlissenen, grau aussehenden Fetzen, der früher vielleicht einmal orange oder rot gewesen sein mochte – anscheinend wirklich ihr ganzer Besitz. Aber wie die meisten Somalis war sie eine stolze Frau und würde nie um etwas bitten. Wir stellten ihr keine Fragen, sondern luden sie einfach zum Essen ein, weil das in meinem Land üblich ist.
    Als ich Nhur so schwer arbeiten sah, ohne dass ihr jemals einer half, sagte ich zu meiner Schwägerin: »Nhur, heute koche ich. Du gehst deine schöne Mutter besuchen.« Nhur lächelte mich an und erklärte, sie würde jetzt Wasser holen. Sie zog sich ihren blauen
chalmut
 über den Kopf und ergriff die Eimer. Ich errichtete einen kleinen Holzhaufen für das Feuer und stellte den größten Topf, den ich finden konnte, darauf. Er schwankte hin und her, deshalb rammte ich ihn tief hinein, damit er nicht umkippte. Dann füllte ich ihn mit Reis und Bohnen und gab Wasser hinzu.
    Das Feuer qualmte, weil das Holz nass vom Regen war. Trockene Zweige hatten wir nicht, da wir sie nirgendwo lagern konnten. Ich versuchte, es erneut anzufachen, indem ich ihm Luft zufächelte, aber es qualmte bloß. Der Rauch brannte mir in den Augen, und ich hustete. Wahrscheinlich hatte ich irgendetwas falsch gemacht, aber ich hatte ja auch seit zwanzig Jahren nicht mehr an einem offenen Feuer gekocht. In New York City oder in London wäre das ein Witz. Also bat ich Burhaan, mir bei dem Feuer zu helfen. Er hatte damit wesentlich mehr Erfahrung als ich.
    »Das ist Frauenarbeit«, knurrte er und blieb auf seiner Matte im Schatten liegen.
    »He«, sagte ich, »ich brauche aber Hilfe.«
    »Bitte Nhur darum!« Er blieb stur. »Kochen ist Frauenarbeit.« Ungerührt sah er mir zu, wie ich mich abmühte – nur weil Kochen Frauenarbeit ist. Er hatte nichts zu tun, aber er würde keinen Finger für mich krumm machen. Am liebsten hätte ich mit meinem Schuh auf ihn eingedroschen.
    »Mohammed, benimm du dich doch wenigstens nicht so albern wir Burhaan«, keifte ich. »Hilf mir, das Feuer zum Brennen zu bringen, sonst haben wir alle nichts zu essen!«
    »Das ist nicht mein Problem. Wir sind für Männerarbeit zuständig«, klärte er mich auf.
    »Was ist denn zum Beispiel Männerarbeit?«, fragte ich spitz und stemmte die Arme in die Hüften. »Wenn etwas getan werden muss, dann geht es dich nichts an, weil es keine Männerarbeit ist?« Ich warf einen Stock nach den beiden und Mohammed warf ihn lachend wieder zurück. »Das verstehe ich nicht«, fuhr ich ihn an. »Du würdest also lieber verhungern, wenn du keine Frau zum Kochen hättest?«
    »Nein«, tönte Burhaan, »dann würden wir eben die Kinder kochen lassen!« Schließlich kam Nhur mit dem Wasser langsam und keuchend zurück. Sie stellte die Eimer ab und hob den schweren Topf vom Feuer. Dann ordnete sie die Holzscheite anders an, legte auf jede Seite größere Äste und stellte den Topf darauf. Nun hockte sie sich vor das glimmende Holz und blies es erneut an.
    »
Khat
hat dieses Land in den Ruin getrieben«, schimpfte ich in Richtung meiner Brüder.
    »Wir haben heute gar kein
khat
«, tat Raschid beleidigt.
    »Aber wenn ihr welches hättet, würdet ihr es kauen«, warf ich ihnen vor. Ich hasste diese grässliche Angewohnheit. »Männer sind so schrecklich unmotiviert«, fügte ich entrüstet hinzu. »Sie gebrauchen ihren Verstand nicht und vergeuden ihre Zeit damit, auf diesem blöden Zeug herumzukauen.«
    Nach dem Essen ging ich zu meiner Mutter. Wir saßen in ihrer kleinen Hütte und unterhielten uns, weil es draußen regnete. Als die zweite Frau meines Vaters aufstand, um zum Abort zu gehen, bat ich sie, ihr kleines Baby halten zu dürfen. Er sah genauso aus wie ich, und wir hatten sofort eine Verbindung zueinander. Er gab keinen Laut von sich, während ich ihn in den Armen hielt, sondern schaute mich unverwandt an.
    Mama holte ein bisschen Ziegenmilch, die

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