Nonnen
andere!« Ein Passant schaute ihn fragend an. Hatte
er wieder laut gesprochen? Benno wurde rot. Er setzte sich auf
eine Bank und hatte die Pforte im Blick, auch die blondhaarige,
nicht mehr junge Frau am Empfang. Nein, er konnte nicht dort
hineingehen. Selbst wenn man sich von dem
›Schriftsteller‹ blenden ließe, ließe
man es nicht zu, daß er eine Horrorstory über einige
längst verstorbene Schwestern schrieb. Nein, das wäre
zuviel Realismus. Benno blieb eine Weile sitzen, machte
Eintragungen und fuhr dann zurück.
Sofort setzte er sich an die Geschichte. Er schrieb und
schrieb, schrieb über sein Abenteuer, das nicht
stattgefunden hatte, schrieb es seinem Helden zu und gefiel
sich.
»IN MEINER KLEINEN Wohnung überlegte ich mir, wo
ich beginnen konnte. Zuerst mußte ich herausfinden, was es
mit den ›armen Schwestern vom Hl. Franziskus‹ auf
sich hatte. Ich schlug im Kölner Telefonbuch nach, fand aber
nur die ›Franziskanerinnen BMVA‹. Ein Anruf dort
überzeugte mich, daß ich auf der falschen Fährte
war. Leider konnte man mir nicht weiterhelfen. Also blieb mir nur
der ›akademische Weg‹, wie ich es nenne, das
heißt, die Recherche in Büchern.
Leider besitze ich kein Lexikon über kirchliche Dinge.
Daher machte ich mich noch am gleichen Abend auf zur
Universitätsbibliothek, die länger als die
Stadtbücherei geöffnet hat. Und im großen
Lesesaal entdeckte ich in der theologischen Abteilung im Lexikon für Theologie und Kirche tatsächlich
einen Hinweis: Unter dem Stichwort
›Franziskanerinnen‹ fand ich die Notiz über
einen Orden der ›Armenschwestern vom hl. Franziskus in
Aachen‹, gegründet daselbst 1845 von Franziska
Schervier und 1908 päpstlich bestätigt. Auch Gottes
bürokratische Mühlen mahlen langsam… Unter dem
Eintrag ›Schervier, Franziska‹ fand ich noch einige
weitere Informationen. So ist der Orden hauptsächlich in der
Alten- und Krankenpflege tätig, und der
Seligsprechungsprozeß der Gründerin ist anhängig.
Nun war es nur folgerichtig, ein Aachener Telefonbuch zur Hand zu
nehmen. Ich ging zur Post gegenüber der Bibliothek und
schlug nach. Tatsächlich fand ich etwas:
›Franziskanerkloster. Lindenplatz 2‹. Ich schrieb
die Adresse und die Telefonnummer auf, wurde von einem
Schalterbeamten unsanft darauf aufmerksam gemacht, daß man
nun aber gleich schließe, und ging nach Hause.
In solchen Augenblicken fühle ich mich nicht mehr allein,
da ist es mir gleichgültig, daß meine Wohnung so klein
ist und draußen Tag und Nacht der Verkehr rauscht. Dann
habe ich etwas, das mich gefangenhält, und nur die Aussicht
auf das banale Ende eines Rätsels stiehlt sich manchmal
unangenehm in die Gedanken. Aber davon war ich noch sehr weit
entfernt.
Natürlich überlegte ich, ob sich der ganze Aufwand
lohne. Außerdem: Konnte ich einfach in das Kloster
hineinspazieren und mich nach den Nonnen erkundigen? Würde
man mich nicht – zu Recht – sofort wieder
hinauswerfen? Und was gedachte ich eigentlich zu erfahren?
Schließlich lag das Todesjahr schon lange zurück.
Möglicherweise würde ich niemanden finden, der mir
Auskunft geben konnte. Trotzdem hatte ich den Hörer schon in
der Hand, aber nach der Vorwahl legte ich wieder auf. Am Telefon
konnte man mich zu leicht abwimmeln, das war mir schon oft
passiert. Wenn ich hingegen nach Aachen führe, hätte
ich bessere Chancen. Dann aber mußte ich noch drei Tage bis
zum Wochenende warten. Ich nahm es auf mich.
Während der Restaurierungsarbeiten an dem Sensenmann
dachte ich immer wieder über das Rätsel nach. Es war so
vage, daß mir manchmal die Lust verging, weiter
nachzuforschen. Doch meine Neugier war erwacht, und sie
läßt sich nicht leicht in ihre Schranken weisen,
zumindest bei mir nicht; daran habe ich schon immer gelitten.
Mein ganzes Leben ist von Neugier durchzogen, und das hat mir
viele Möglichkeiten genommen und stand vielen
Bekanntschaften im Weg. Ich wollte einen geheimen Zusammenhang
zwischen dem unheimlichen Grabmal und den toten Nonnen erkennen
und bildete mir ein, einem großen Geheimnis auf der Spur zu
sein.
Was ist das Leben anderes als eine große Einbildung?
Alles was man sich erträumt, ist wirklich, alles andere
existiert nicht wirklich. Daher hat man es selbst in der Hand,
sein Leben nach inneren Prinzipien zu steuern, und ein Mangel an
Abwechslung und Spannung kann nur auf einem Mangel an Phantasie
beruhen. Wozu muß
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