Nonnen
blitzenden Augen, die wohl schon manche
Mitschwester eingeschüchtert haben mochten.
›Sie haben recht, ich habe ein wenig
geflunkert‹, gab ich zu. ›Aber es geht mir wirklich
um die genannte Schwester. Und um drei andere.‹
Ich nannte ihre Namen.
Wenn es überhaupt möglich war, kniff die Oberin
ihren schmalen Mund noch mehr zusammen. ›Ich erinnere mich
nicht an sie‹, sagte sie mit schneidender Stimme.
›Ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen. Wenn dies Ihr
einziges Anliegen war, bitte ich Sie, mich jetzt zu
entschuldigen, denn ich habe noch einiges zu tun.‹ Sie
drehte sich von mir weg und wandte mir den Rücken zu.
›Warum sind alle vier am gleichen Tag
gestorben?‹ fragte ich. Es war ein Versuch, sie aus der
Reserve zu locken.
Sie blieb abgewandt und sagte: ›Das ist alles lange
her. Es war ein Unfall. Ein schlimmer Unfall. An die Einzelheiten
erinnere ich mich nicht mehr.‹
›Warum wurden sie in Köln begraben?‹
›Ein Verwandter von Hildemarga hatte auf dem dortigen
Friedhof Melaten, auf dem Ehrenfelder Teil, eine Grabstätte
und erbot sich, sie dorthin betten zu lassen.‹
›Warum? War hier kein Platz mehr?‹
Ich kam mir unverschämt vor, denn ich gewahrte immer
deutlicher, daß ich kein Recht hatte, in diesen
Angelegenheiten herumzuschnüffeln. Ich wünschte mich
tausend Kilometer weit weg. Doch ich war hier, und ich
mußte es durchfechten. Dies war das am wenigsten angenehme
Gespräch, das mir meine Neugier bisher eingebrockt hatte.
Wenn ich nun die belanglose Wahrheit sagte, erführe ich
sicherlich nichts mehr, dachte ich. Also log ich weiter. Bitte
glauben Sie nicht, daß ich immer so vorgehe.«
Ich wehrte ab.
»Nein, es ist wirklich nicht meine Art«,
entschuldigte sich Schwartz. »Aber nun hatte ich mich so
weit in die Geschichte verstrickt, daß ich nicht mehr
aufhören konnte – und wollte. Daher gab ich vor, ein
Privatdetektiv zu sein, der von einem Angehörigen einer der
Schwestern engagiert worden sei, um die Umstände ihres Todes
klären zu lassen.
›Nach so langer Zeit?‹ fragte die Oberin
ungläubig.
›Was hinterließen die Schwestern?‹ fragte
ich.
›Wozu soll diese Frage gut sein?‹ fragte sie.
›Aber ich kann Ihnen gern sagen, daß es herzlich
wenig gewesen ist. Denn wie Sie sich vorstellen können,
besitzen Ordensschwestern aufgrund des Armutsgelübdes keine
Reichtümer. Wenn ich mich recht entsinne, hatten zwei von
ihnen ein Röhrenradio, so einen großen Kasten. Ich
hatte es ihnen erlaubt, aber ich selbst mag diese Dinger
nicht.‹
Die karge Einrichtung ihres Büros mit Schreibtisch,
Stuhl, Schrank und einem schlichten Kreuz an der Wand war
sozusagen ein Ausrufezeichen hinter dieser Aussage. Hier
wäre es selbst im Hochsommer kalt. Allerdings versuchte ich
mir vorzustellen, wo sie sich die Videos anschaute.
›Und sonst gab es nichts?‹ fragte ich.
›Keine schriftlichen Aufzeichnungen, keine
Tagebücher?‹
Es wäre eine Möglichkeit gewesen, an Informationen
heranzukommen.
Die Oberin antwortete verbiestert: ›Warum sollen Nonnen
ein Tagebuch führen? Glauben Sie, hier geschieht etwas, das
es wert wäre, festgehalten zu werden?‹
Bedauerte sie etwa ihr Gelübde? War sie deshalb so
schlecht gelaunt? Mußte sie deshalb das Leben, das sie zu
versäumen glaubte, in Videos nachholen?
›Erlauben Sie mir eine letzte Frage‹, sagte ich.
›Können Sie mir die Adresse des Verwandten geben, der
die vier Nonnen damals in Köln beerdigen
ließ?‹
›Das finde ich aber seltsam‹, sagte die Oberin
spitz. ›Haben Sie nicht vorhin gesagt, daß er oder
einer seiner Angehörigen Sie beauftragt hat?‹
›Ja, schon, so ähnlich. Doch es sind –
seltsame Familienverhältnisse. Ich soll nicht nur über
die vier Schwestern etwas herausfinden, sondern auch über
denjenigen, der ihnen das Grab überlassen hat. Näheres
darf ich mit Rücksicht auf meinen Klienten nicht
sagen.‹
Die Oberin seufzte: ›Wenn ich Sie damit loswerden
kann… Na schön.‹ Sie rollte zum Schreibtisch,
telefonierte kurz, und schon nach wenigen Minuten, die wir in
eisigem Schweigen verbrachten, erschien eine Krankenschwester mit
einer dünnen Mappe unter dem Arm. Sie reichte sie der Oberin
und verließ den Raum.
Die Oberin blätterte mit dürren Fingern darin, und
bald hatte sie den Namen gefunden: ›Heinrich Laux.‹
Sie nannte mir die Adresse, es war eine Straße im Stadtteil
Ehrenfeld, nicht weit von hier, wo
Weitere Kostenlose Bücher