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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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eine große
Grabstelle auf Melaten, die frei wurde, da die Zeit abgelaufen
war, und daher zur Neubelegung anstand. Eigentlich hatten wir die
Stelle abgeben wollen, doch Vater entschied, sie für die
vier Nonnen zu verwenden.‹
    Die Oberin hatte behauptet, daß sich jemand aus
Köln freiwillig erboten habe, die vier Schwestern in seine
Obhut zu nehmen. Also ertappte ich sie schon zum zweiten Mal beim
großzügigen Umgang mit der Wahrheit, die nicht zu den
Grundtugenden jenes Ordens zu gehören scheint.
    ›Und wie sind die vier Nonnen zu Tode gekommen?‹
fragte ich. Ich konnte meine Neugier nicht mehr bezwingen.
    Dr. Laux lächelte. ›Mein Vater hatte von der
Oberin erfahren, daß die vier mit einigen Kerzen zu
unvorsichtig gewesen waren. Sie sind verbrannt oder erstickt.
Leider war das Feuer zu spät bemerkt worden. Es konnte zwar
rasch gelöscht werden, nicht rasch genug aber für die
Opfer. Wenn ich mich recht entsinne, gab es eine Untersuchung,
die jedoch bald eingestellt wurde, da alles auf einen
Unglücksfall hindeutete. Mehr kann ich Ihnen dazu leider
nicht sagen. Aber nun wissen Sie wenigstens Bescheid.‹
    Ich bedankte mich noch einmal für die Freundlichkeit des
Dr. Laux, stand auf, gab ihm die Hand und wollte gehen, als er,
der sitzengeblieben war, sagte:
    ›Eigentlich schade, daß ich das Tagebuch meiner
Großtante nicht mehr besitze. Aber wahrscheinlich stand
nichts Wichtiges darin.‹
    Ich setzte mich wieder und sah ihn an.
    Er sagte: ›Um dieses Tagebuch rankt sich eine
bemerkenswerte kleine Geschichte. Nachdem Sie nun schon so tief
in unsere Familienangelegenheiten eingedrungen sind, kann ich sie
Ihnen durchaus erzählen. Als Gegenleistung für sein
Entgegenkommen hinsichtlich der Beerdigung erhielt mein Vater den
gesamten Nachlaß der vier Nonnen, der aus vier Bibeln,
etlichen Heiligenbildchen, Kleidung und zwei wuchtigen
Röhrenradios bestand. Keine von den drei anderen hatte
nämlich noch lebende Verwandte. Die Kleider warf mein Vater
fort, die Bibeln stellte er in sein Regal, und die Radios lagerte
er in seinem Keller; er wollte sie als Ersatzteillager benutzen,
denn er hatte selbst noch so ein Gerät, an das sich für
ihn viele Erinnerungen knüpften. Er lobte seinen Klang und
wollte es so lange wie möglich behalten. Ich weiß
nicht, ob Sie sich noch an diese Apparate erinnern können.
Sie waren durchaus imposant, besaßen ein massives
Holzgehäuse und Tasten aus Bakelit. Heute sind sie schon
beinahe Sammlerstücke. Vor wenig mehr als einem Jahr, einige
Monate vor dem plötzlichen Tod meines Vaters, brannte
schließlich eine Röhre durch, und er entsann sich der
beiden Geräte, die noch immer, schon seit über siebzehn
Jahren, unberührt im Keller standen. Also nahm er eines mit
hoch in seine Wohnung und löste die Rückwand. Dabei
fiel ihm das Tagebuch in die Hände; zufälligerweise
hatte er wohl das Gerät von Großtante Elisabeth
erwischt. Mein Vater legte das Tagebuch beiseite und reparierte
sein Radio, und tatsächlich funktionierte es
anschließend wieder. Er war ein passionierter Bastler, hat
alle anfallenden Reparaturen selbst durchgeführt und mich
damit immer wieder in Staunen versetzt. Ich bin leider
völlig unpraktisch veranlagt. Nun, er stellte das Tagebuch
in sein Regal neben die Bibeln, und kurz vor seinem Tod sagte er
mir, er habe einige Blicke hineingeworfen, aber es enthalte
nichts als Altnonnengewäsch.‹
    Ich erinnerte mich daran, daß die junge Frau gestern
davon gesprochen hatte, ein Buch habe im Schoß des Toten
gelegen.
    War es das Tagebuch gewesen?
    Gab es vielleicht sogar einen Zusammenhang zwischen dem Tod
des Herrn Laux sen. und seiner Lektüre?
    Eine verrückte Idee, zugegeben. Ich fragte den Anwalt
danach.
    Er antwortete: ›Er starb, während ich einen
auswärtigen Termin wahrzunehmen hatte. Ich weiß nicht,
welches Buch in seinem Schoß lag. Aber es ist
schließlich nicht wichtig. Jemand muß es wieder ins
Regal geräumt haben, denn dort standen alle Bücher
beisammen, als ich die Wohnung zwecks Auflösung besichtigte.
Wahrscheinlich ist es die Zugehfrau gewesen.‹
    ›Darf ich fragen, was aus dem Tagebuch geworden
ist?‹ wollte ich wissen.
    ›Keine Ahnung.‹ Er zuckte die Schultern.
›Wahrscheinlich war es bei dem Konvolut, das ich einem
Antiquar verkauft habe. Er holte es selbst ab; ich habe ihm noch
geholfen, die Kisten in seinen Wagen zu schleppen. Er sagte, es
seien einige sehr

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