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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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schöne Exemplare darunter. Mich
interessierten sie nicht, sie gehörten nicht zu meinen
Sammelgebieten.‹
    ›Wann war das?‹
    ›Es mag etwa fünf Monate her sein. Mein Vater
verstarb vor ziemlich genau einem halben Jahr.‹
    Ich bat Herrn Dr. Laux um die Adresse des Antiquariats, und
ergab sie mir.
    ›Machen Sie sich aber nicht allzu viel Hoffnung.
Abgesehen davon, daß bestimmt nichts Interessantes
drinsteht, wird das Tagebuch wahrscheinlich schon für wenige
Mark verramscht worden sein.‹
    Er mochte recht haben, doch für mich war es eine weitere
Spur, ein weiterer Weg, den ich unbedingt gehen mußte.
    Ich verabschiedete mich von Dr. Laux. Er begleitete mich zur
Tür, und frohgemut zog ich ab.
    Ich machte einen kleinen Spaziergang durch Marienburg,
bewunderte die herrschaftlichen Villen, die großen
Parkanlagen und die teuren Autos, und die linde Luft reinigte
meine Gedanken.
    Wie weit mochte ich meiner Spur noch folgen können?
    Ich nahm mir vor, gleich am nächsten Abend das
Antiquariat aufzusuchen. Natürlich, die Möglichkeit,
daß ich das Buch noch fände, war gering. Doch ich
durfte nichts unversucht lassen.«

Erschöpft legte Benno den Kugelschreiber fort. Es war
weit nach Mitternacht. Wie schwer war es ihm gefallen, einen
Juristen mit sympathischen Zügen auszustatten! Aber dies
zeigte, daß er objektiv war. Sich nicht von Vorurteilen
leiten ließ. Aber was heißt da: Vorurteile! Er
kannte die Kerle aus eigener Anschauung. Wäre fast auch so
einer geworden. Nein, so durfte er nicht mit sich umgehen. Das
war nicht recht. Er ging zu Bett.
    Im Büro redete er kein persönliches Wort mehr mit
Herrn Bandmann, der offensichtlich nicht verstand, was er falsch
gemacht hatte. Doch Benno hatte ihn durchschaut. Der hoffte wohl,
sich durch Schmeicheleien die Gunst des zukünftigen
großen Dichters zu erschleichen, um später dann sagen
zu können: Jawohl, ich kenne ihn sehr gut, war sozusagen mit
ihm befreundet, habe ihn bei seinem Debüt unterstützt
und auch ansonsten recht gute Tips gegeben, wer weiß, was
aus ihm geworden wäre, wenn nicht ich ihm auf die
Sprünge geholfen hätte… Nein, kein Wort kam
über Bennos Lippen, als Herr Bandmann sich nach einem neuen
Projekt erkundigte. Überhaupt würde er niemals wieder
jemandem eine seiner Geschichten zu lesen geben. Auch nicht dem
Verleger. Oder vielleicht doch, und sei es nur, um den Triumph
auszukosten. Denn an diesem Werk gab es nichts mehr auszusetzen.
Es war sozusagen sein makelloses Meisterwerk.
    Benno freute sich darauf, am Abend zu ihm zurückkehren zu
können. Es war wie eine ihn erwartende Geliebte. Doch eine
Geliebte würde niemals diese Intensität an Sanftmut,
Anschmiegsamkeit und Duldsamkeit aufbringen, wie es seine
Geschichte tat. Wozu brauchte er andere Menschen? Er hatte sich
und sein Genie, seine Phantasien, die Dinge erschaffen konnten,
und wenn er sie sich vorstellte, waren sie da. Was gäbe er
darum, jeden Tag zu Hause verbringen zu können, eingesponnen
in seiner Traumwelt, sich selbst genug. Schließlich war er
so erzogen worden. Einzelkind. Das ist der Stoff, aus dem
Nobelpreisträger sind!
    Die Suche war eröffnet und konnte nun konkreter
weitergehen. Das Buch war in die Handlung eingetreten. Er liebte
Bücher, Zauberbücher. Jedes Buch ist ein Zauberbuch.
»Wirklich jedes Buch!«
    Herr Bandmann sah ihn groß an. Dann verschwand er wieder
hinter Aktentürmen.
    Was kümmerte er sich um die armselige sogenannte
Realität? Seine Phantasie hob ihn weit, weit über alle
Mitmenschen hinaus.
    Aber es war doch nur eine einzige große
Kindheitserinnerung, durch Chiffren und Symbole ausgedrückt.
Sie war schön, seine Kindheit. Niemand sonst hatte eine so
reiche Kindheit gehabt wie er! Zumindest innerlich reich. Und
niemand vermochte sie so auszudrücken wie er.
    »Kreist du nicht nur um dich selbst?«
    »Haben Sie etwas gesagt?« fragte Herr
Bandmann.
    Und Benno vermeinte, in dessen Augen hündische
Anbiederung zu entdecken.
    Und wenn schon, wenn er tatsächlich nur um sich selbst
kreiste! Er war ein Kosmos, er war der Kosmos.
    Er war Gott!
    Aber es gab keinen Gott.
    Wie konnte er nur so etwas denken? Er hatte Gott erfahren,
jeden Sonntag. Und plötzlich fielen ihm die vier Nonnen
wieder ein.
    Welche?
    Die in seiner Geschichte?
    Oder die seiner Kindheit?
    Aber es waren doch dieselben. Er durfte sich nicht verwirren
lassen.
    Benno riß ein paar Haare aus seinem schütteren
Schopf

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