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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Buch konnte noch nicht lange zum Verkauf stehen, aber wenn es der
Teufel wollte… Ich ging zu Bett und träumte von dem
Tagebuch und den seltsamen Geheimnissen, die es barg.
    Der Morgen war sonnig, und ich stand lange nachdenklich vor
dem Grab der vier Nonnen. Als ich es zum ersten Mal bewußt
wahrgenommen hatte, war mir nicht in den Sinn gekommen, daß
ich soviel herausfinden sollte. Doch mir schien, daß sie
ihr letztes Geheimnis noch nicht preisgegeben hatten. Zugleich
befürchtete ich, das Tagebuch wirklich zu finden. Zum einen
wäre nämlich dann meine Suche beendet, zum anderen war
es unwahrscheinlich, daß es neue Aufschlüsse über
den mir jetzt schon bekannten Tod der Ordensschwestern geben
konnte. Außerdem war es vor der Tragödie im Radio
versteckt worden. Vielleicht aber hatte sie sich schon irgendwie
angebahnt, ihre Schatten vorausgeworfen, vielleicht war es nicht
nur Unachtsamkeit gewesen.
    Ob Schwester Hildemarga Angst davor gehabt hatte, daß
die Oberin das Tagebuch hätte finden können? War das
Führen eines Tagebuchs den Schwestern verboten? Ich habe
noch immer keine Ahnung von den Gepflogenheiten des geistlichen
Standes. Vor dieser Oberin hätte jedoch auch ich alles
Persönliche versteckt.
    Oder gab es für die Heimlichtuerei einen anderen
Grund?
    Fragen türmten sich auf Fragen, und plötzlich
erschien mir das Tagebuch als Schlüssel zu ihrer
Beantwortung.
    Ich wandte mich von dem Grab ab und ging zum Sensenmann.
Obwohl er soviel realer, plastischer und bedrohlicher ist,
empfand ich in seinem Angesicht doch nicht die dunklen
Gefühle, die mich vor der Ruhestätte der Armen
Schwestern heimsuchten. Ich kam gut, doch nicht so schnell voran,
wie ich gehofft hatte, denn er ist in einem wahrhaft
bemitleidenswerten Zustand, der Ärmste. Sie haben es ja
selbst gesehen. Aber ich glaube, daß wir mit vereinten
Kräften in einigen Tagen fertig sein werden.«
    Ich nickte zustimmend und hoffte, daß er nun zum Kern
der Geschichte kommen möge. Aber ich hegte den Verdacht,
daß der Kern nur die bloße Suche war und ich hier in
der Kneipe saß, um diese lange und geglückte Suche
miterleben zu müssen. Er hatte niemanden, dem er seinen
Triumph sonst mitteilen konnte. Dann aber erinnerte ich mich an
sein merkwürdiges Verhalten auf dem Friedhof. Stand es mit
dem Rätsel in Zusammenhang? War er doch auf etwas
Beunruhigendes gestoßen?
    Sein Bier hatte er schon lange ausgetrunken, doch er schien es
nicht zu bemerken, schien nichts zu benötigen als meine
Zuhörerschaft.
    Er erzählte weiter:
    »Und wieder sehnte ich den Abend herbei. Mit der Bahn
und dem Bus fuhr ich nach Kalk. Das Antiquariat war in einer
Hinterhofhalle untergebracht, sehr groß, und es roch etwas
muffig. Der Inhaber, ein bärtiger junger Mann mit traurigen
Augen hinter einer dicken Hornbrille, fragte mich nach meinem
Anliegen.
    ›Ja, an Antiquar Müller erinnere ich mich
noch‹, sagte er. ›Das ist noch gar nicht lange her.
Ich hoffe, daß es ihm inzwischen besser geht. Er hatte ein
alteingesessenes Geschäft, und es ist schade, daß er
nicht mehr in seinem Beruf tätig sein kann. Nun, er ist sehr
alt. Sie haben mit ihm gesprochen, sagen Sie? Es geht ihm nicht
so gut? Das tut mir leid. Ich habe ihn immer gemocht. Man konnte
gute Geschäfte mit ihm machen. Das beste war leider auch das
letzte. Ja, ich habe sein Lager vollständig übernommen
– bis auf einige Bücher, die er für sich behalten
hat. Natürlich die feinsten Sachen, der alte Fuchs! Ein
Tagebuch? Ja, wissen Sie, ich bin bisher gar nicht dazu gekommen,
alle Bücher zu sichten. Da sind noch viele in den Kartons,
die ich hinten im Lager habe. Das wird noch einige Zeit dauern.
Ich muß jetzt die Antiquariatsmesse vorbereiten,
Standprobleme, die Druckfahnen für meinen Katalogbeitrag,
Listen drucken lassen und so weiter. Da wird es mir erst in
einigen Wochen möglich sein, die Sachen komplett
durchzusehen. Nein, bisher ist mir ein Tagebuch nicht
aufgefallen. Aber ich habe von etwa fünfzig Kisten erst zehn
bearbeitet. Tut mir leid, daß ich Ihnen keine Auskunft
geben kann. Aber ich habe hier im Laden noch ein paar andere
Bücher. Schauen Sie sich doch einmal um. Vielleicht
gefällt Ihnen eins davon.‹
    Seine umständliche Art konnte einen auf die Palme
bringen! Aber ich beherrschte mich. Schließlich wollte ich
etwas von ihm.
    ›Ich bin gern bereit, selbst zu suchen, wenn Sie es mir
erlauben‹, sagte ich.
    Er

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