Nora Roberts
und umfasste ihre Ellbogen mit den Händen. Angst, überlegte sie, war ein
Gefühl, das sie kaum kannte. Und auch jetzt kam sie nicht sehr gut damit
zurecht. Sie schloss die Augen für einen Moment und zwang sich, ruhig und tief
durchzuatmen.
Als das
Zittern etwas nachließ, begannen sich ihre Gedanken wieder zu formieren. Wozu
brauchte ein Schriftsteller eine Pistole? Warum hatte er nicht die Polizei
gerufen? Ein Verdacht tauchte aus dem Nirgendwo auf, den sie rasch verbannte.
Nein, das war doch lächerlich ... War es das wirklich?
Jessica
hatte sich nicht aus dem Sessel bewegt, als Slade zehn Minuten später
zurückkehrte.
Im
Vorbeigehen schlug er mit dem Handrücken gegen den Schalter und tauchte den
Raum in helles Licht. »Nichts«, erklärte er grimmig, ohne dass Jessica etwas
zu ihm gesagt hatte. »Kein Mensch weit und breit, und kein Anzeichen für ein
gewaltsames Eindringen.«
»Aber ich
habe jemanden gesehen«, begann sie beleidigt.
»Ich habe
auch nicht das Gegenteil behauptet.« Damit verschwand er wieder und ließ ihre
nächsten Worte ungehört verklingen.
Kurz darauf kam er zurück, ohne Pistole. »Was hast du gesehen?«, fragte er sie
und begann gleichzeitig noch einmal den Salon zu durchsuchen.
Mit
zusammengekniffenen Bewegungen beobachtete sie seine routinierten Bewegungen.
»Die Salontüren waren zu. Als ich sie öffnete, leuchtete mir ein grelles Licht
in die Augen. Eine Taschenlampe. Ich konnte nichts sehen.«
»Ist hier
irgendetwas nicht an seinem Platz?«
Sie
beobachtete weiter, wie er geschickt und professionell den Raum auf Hinweise
durchsuchte. Nein, ihr Verdacht war keineswegs lächerlich, stellte sie fest und
merkte, wie sich ihr Magen
verkrampfte. Alles passte viel zu gut zusammen. Er machte das hier nicht zum
ersten Mal. Und er hatte diese Waffe schon vorher benutzt.
»Wer bist
du?«
Er kauerte
auf dem Boden vor dem Barschrank. Ihre Worte klirrten wie Eiswürfel. An den
Kristallgläsern hatte sich niemand zu
schaffen gemacht, stellte er fest. »Du weißt doch, wer ich bin, Jess«,
erwiderte er, ohne sich dabei umzudrehen. »Du bist kein Schriftsteller.«
»Doch, das
bin ich.«
»Und dein
Dienstgrad?«, gab sie unbeirrt zurück. »Sergeant? Lieutenant?«
Er nahm die
Karaffe mit Brandy und schenkte ihr zwei Fingerbreit davon in ein Glas. Dann
ging er zu ihr hinüber und reichte ihr das Glas. »Sergeant. Hier, trink das.«
Sie fing
seinen Blick auf und hielt ihm stand. »Geh zur Hölle!«
Slade
zuckte mit den Achseln und stellte das Glas neben sie auf den Tisch. Eine
tödliche Ruhe ergriff sie und betäubte den
stechenden Schmerz von Verrat. »Ich will, dass du mein Haus
verlässt. Aber bevor du gehst«, setzte Jessica ganz ruhig hinzu, »möchte ich,
dass du mir sagst, weshalb du gekommen bist. Onkel
Charlie hat dich geschickt, nicht wahr? Befehl des Commissioner?« Der letzte
Satz troff vor genau kalkuliertem Abscheu.
Slade
schwieg zunächst und haderte mit sich, wie viel er ihr erzählen musste, um sie
zufrieden zu stellen. Sie war leichenblass, aber nicht vor Angst. Sie war
fuchsteufelswild.
»Also
schön.« Den Blick weiterhin auf ihn geheftet, stand sie auf. »Dann rufe ich den
Commissioner eben an. Inzwischen kannst du deine Schreibmaschine und deine
Pistole einpacken, Sergeant.«
Sie musste
alles erfahren, entschied er und hätte viel für eine Zigarette gegeben. »Setz
dich wieder hin, Jess.« Als sie sich nicht rührte, half er mit einem kleinen
Schubs nach. »Und jetzt halt den Mund und hör mir zu«, sagte er, als er sie
Luft holen und
zu einer wütenden Erwiderung ansetzen sah. »Es besteht der Verdacht, dass dein
Laden mit einer Schmuggelorganisation
in Verbindung steht. Man vermutet, dass in den importierten Möbeln Schmuggelgut
versteckt ist, das hier an eine Kontaktperson weitergeleitet wird,
wahrscheinlich durch den Verkauf des jeweiligen Möbelstücks.« Jessica unternahm
keinen Versuch, etwas zu sagen, sondern starrte Slade nur an, als habe er den
Verstand verloren. »Interpol will den Kopf der Bande fassen, nicht die niederen
Chargen, die bereits seit längerem observiert werden. Er ist ihnen schon einmal
durch die Lappen gegangen, und sie wollen nicht, dass das noch einmal passiert.
Du, dein Laden und die Leute, die für dich arbeiten, stehen solange unter
Beobachtung, bis sie ihn dingfest gemacht haben oder die Ermittlungen auf eine
andere Spur führen. In der Zwischenzeit möchte der Commissioner dich in
Sicherheit wissen.«
»Ich glaube
kein
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