Nora Roberts
»Die Presse wird sich mit Genuss darauf stürzen. Tatsache ist,
ich könnte diese Geschichte verkaufen und ein ansehnliches Sümmchen dafür
kassieren. Aber ich gebe dir die Chance, sie als Erster zu bekommen. Betrachte
es als eine Investition. Du bezahlst mich, und ich verschwinde ein für alle Mal
aus deinem Leben. Wenn du es nicht tust, werde ich einen anderen finden, der
bereit ist, das Geld springen zu lassen.«
Glorias
Gesicht war während der ganzen Schimpfkanonade völlig ausdruckslos geblieben.
Seth fand, dass sie es nicht einmal wert war, dass er sich empörte. »Deine Geschichte
ist absoluter Bockmist.«
»Klar ist
sie das.« Sie lachte und kippte ihren Gin Tonic in einem Zug hinunter. »Aber
die Leute kriegen doch nie genug von diesem Bockmist, solange sie ihn über
jemand anderem auskippen können. Ich gebe dir eine Woche, um das Geld zu
beschaffen – und ich will Bares sehen. Aber ich will eine Anzahlung. Nennen wir
es ein Zeichen des guten Willens. Zehntausend. Morgen Abend. Wieder hier, um
zehn Uhr. Wenn du hier nicht auftauchen solltest, werde ich die ersten Anrufe
machen.«
Er stand
auf. »Wenn du noch mal zehn Riesen für Koks ausgibst, Gloria, wirst du mausetot
im Hinterzimmer eines Drecklochs wie diesem hier enden, bevor du überhaupt
etwas von dieser Million verpulvern kannst.«
»Lass das
mal meine Sorge sein. Bezahl lieber für die Drinks.«
Er drehte
ihr wortlos den Rücken zu und marschierte zur Tür hinaus.
Seth war
nach dem Treffen
mit Gloria nach Hause gegangen. Er hatte sich vorgenommen, sich voll laufen zu
lassen, obwohl er wusste, dass es nichts weiter als eine Flucht war. Aber das
scherte ihn nicht. Also schüttete er sich ein weiteres
Glas ein und betrachtete das tiefe bernsteinfarbene Glühen im Licht der
einzigen Lampe, die er in seinem Atelier eingeschaltet hatte.
Seine
Brüder hatten ihm an seinem einundzwanzigsten Geburtstag seinen ersten Whiskey
spendiert. Sie hatten nur zu viert um den Küchentisch gesessen, die Frauen und
die Kinder waren nicht da gewesen.
Es war eine
jener schönen Erinnerungen, von denen er wusste, dass sie ihm immer bleiben
würden. Der durchdringende Geruch des Zigarrenrauches, nachdem Ethan eine
Runde spendiert hatte. Das Brennen des Whiskeys auf seiner Zunge und in seiner
Kehle, das nachließ, als er seinen Magen erreichte. Die Stimmen seiner Brüder,
ihr Lachen und diese vollkommene Überzeugung, dazuzugehören, die er damals
empfand.
Er machte
sich zu jener Zeit nicht viel aus Whiskey, tat es heute immer noch nicht. Aber
es war nun einmal das Mittel der Wahl für einen Mann, wenn er nur nach einem
trachtete: zu vergessen.
Seth hatte
schon lange aufgehört, sich zu fragen, warum Gloria DeLauter der Mensch war,
der sie war, oder wie sie so hatte werden können. Ein Teil von ihr war auch in
ihm und er akzeptierte es, wie er seine Muttermale akzeptierte. Er glaubte
nicht an »schlechtes Blut«. Jeder seiner Brüder hatte Entsetzliches erlebt,
und doch waren sie die besten Männer, die er kannte.
Ganz
gleich, was auch von Gloria in ihm stecken mochte, es war verdrängt worden von
all der Anständigkeit und dem Stolz und dem Mitgefühl, das ihm die Quinns vermittelt
hatten.
Vielleicht
war allein das der Grund, warum Gloria ihn hasste – warum sie sie alle hasste.
Aber was spielte das schon für eine Rolle? Sie war nun einmal Teil seines Lebens,
und er musste mit ihr fertig werden.
Auf welche
Weise auch immer.
Seth hatte
bereits eine Entscheidung getroffen, und er würde damit leben. Aber heute Nacht
wollte er den Gedanken an die Zukunft in irischem Whiskey und dem Dröhnen des
klagenden Blues ertränken, den er sich als Begleitmusik ausgesucht hatte.
Als das
Telefon läutete, ignorierte er es, griff nach der Flasche und schüttete sich
ein weiteres Glas ein.
Dru
hängte ein und lief
unruhig im Wohnzimmer auf und ab. Seit Aubrey vor zwei Stunden angerufen und
nach Seth gefragt hatte, hatte sie seine Nummer schon mindestens ein halbes
Dutzend Mal gewählt.
Er war also
nicht mit Aubrey zusammen, wie er Dru noch am Abend erklärt hatte. Und er war
auch nicht bei Dru – was er wiederum Aubrey und seiner Familie gesagt hatte.
Wo zum
Teufel steckte er also?
Irgendetwas
stimmte seit dem gestrigen Abend nicht mit ihm. Eigentlich hatte er sich schon
vor der Party anders benommen, schon vor der Fahrt dorthin. Sie hatte eine Art
von unterdrückter Gewalt bei ihm wahrgenommen, die ihren Ausdruck schließlich
in wildem Sex gefunden hatte.
Und
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