Nora Roberts
Kopf in sie verliebt. Es ging alles so schnell. Ich hätte nie
gedacht, dass es ihr ebenso ergehen würde. Aber irgendwie ist es einfach
passiert.«
»Und was
wirst du jetzt tun?«
»Ich weiß
es nicht.« Seth hob einen Stein auf und warf ihn in den tintenschwarzen Fluss.
»Wenn man sich langfristig an jemanden bindet, bindet man sich auch an alle
Probleme, die dieser Mensch mit sich herumschleppt. Meine Last ist verdammt
schwer, Grandma, und ich werde den Verdacht nicht los, dass sie noch schwerer
werden wird.«
»Du hast
dich aber selbst mit Handschellen an diese Last gefesselt, Seth. Und du besitzt
den Schlüssel zu diesen Handschellen, hast ihn schon immer besessen. Meinst du
nicht, dass es an der Zeit wäre, ihn zu benutzen und diese Last über Bord zu
werfen?«
»Gloria
wird niemals für immer fortbleiben.«
»Wahrscheinlich
nicht. Aber das Entscheidende ist doch, wie du mit dieser Last umgehst. Du bist
einfach zu gottverdammt stur, um sie zu teilen. In dieser Hinsicht bist du
genau wie dein Großvater.«
»Wirklich?«
Diese Vorstellung wärmte Seths Herz. »Findest du, dass ich ihm ähnele?«
»Du hast
seine Augen.« Stella strich ihm durch das Haar. »Aber das weißt du ja schon.
Und seine Sturheit. Er hat immer geglaubt, er könne mit allem allein fertig werden.
Sehr ärgerlich. Er hatte so eine ruhige Art an sich – konnte aber auch
explodieren. Du bist genauso. Und du hast den gleichen verdammten Fehler mit
Gloria begangen wie er. Du lässt zu, dass sie die Liebe, die du für deine
Familie und für Dru empfindest, als Waffe missbraucht.«
»Es geht
doch bloß um Geld, Grandma.«
»Du weißt,
was du zu tun hast, Seth. Also mach dich auf und tu es! Kein Grund, es länger
hinauszuschieben.«
Sein Kiefer
spannte sich. »Ich werde Dru in diesen Dreck nicht hineinziehen.«
»Du liebe
Güte! Das Mädchen möchte aber gar keinen Märtyrer.« Stella pflanzte die Fäuste
auf ihre Hüften und blickte ihn finster an. »Stur, dass es schon an Dummheit
grenzt. Genau wie dein Großvater«, murmelte sie.
Und dann
war sie verschwunden.
Siebzehn
Die Bar
war eine billige
Spelunke, jene Art von Kneipe, wo das Trinken eine ernsthafte, meist einsame
Beschäftigung ist. Der blaue Vorhang aus Rauch war so dick, dass man ihn mit
den Händen hätte teilen können. Seth fühlte sich in eine Szene aus einem billig
produzierten SchwarzWeiß-Film versetzt. Das schummerige Licht verbarg die
Flecken, die entstanden waren, wenn jemand meinte, sich tatkräftig in die
Angelegenheiten eines anderen einmischen zu müssen.
Es stank
nach Zigaretten und Bier, und Seth hatte den Eindruck, als wäre der Raum schon
seit Jahren nicht mehr gelüftet worden.
In einer
Ecke stand ein Billardtisch. Ein paar Kerle spielten eine Runde, während andere
um den Tisch herumstanden, Bier tranken und einen Ausdruck gelangweilter
Empörung zur Schau trugen, der der Welt zeigen sollte, was für knallharte
Typen sie waren.
Die
Klimaanlage war in ein mit einer Sperrholzplatte verrammeltes Fenster
eingelassen. Ihre einzige Wirkung bestand darin, dass sie den Gestank ein wenig
in Bewegung versetzte, wobei sie ein schepperndes Geräusch von sich gab.
Seth suchte
sich einen Platz am Ende der Bar und bestellte eine Flasche Budweiser.
Es erschien
ihm irgendwie passend, dass Gloria ihn in einen solchen Laden bestellte. Als
Kind hatte sie ihn oft genug in solche Spelunken geschleppt. Manchmal war er
auch im Wagen geblieben, um zu schlafen – wenn Gloria gerade wieder einmal ein
Auto hatte – während sie allein hineingegangen war.
Gloria war
als Mitglied der respektierten Oberschicht aufgewachsen, aber sämtliche
Vorteile dieser sozialen Stellung waren – ebenso wie alle Erziehungsversuche –
an sie verschwendet gewesen. Sie war ständig auf der Suche nach dem niedrigsten
Niveau und fühlte sich dort offenbar wohl.
Seth hatte
längst aufgehört, sich zu fragen, was sie dazu trieb, alles, was anständig war,
zu hassen und zu verachten. Warum sie jeden Menschen, der jemals einen Grund gehabt
hatte, sich um sie zu sorgen, für ihre Zwecke benutzte, bis sie ihn vollkommen
ausgesaugt oder ihn zerstört hatte.
Ihre Süchte
– Männer, Drogen, Alkohol – waren nicht die Ursache. Sie stellten lediglich
eine weitere Form ihrer absoluten Maßlosigkeit dar.
Das Klacken
der Billardkugeln, das laute Scheppern der defekten Klimaanlage und die ekligen
Gerüche dieser Kneipe versetzten Seth schlagartig in den Albtraum seiner
Kindheit zurück.
Gloria
hatte in
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