Nora Roberts
sag mir,
was los ist. Erzähl mir, was dir solchen Kummer bereitet.«
»Ich hätte
dir diese Dinge nicht sagen dürfen. Das war dumm.«
»Erklär
mir, warum du sie gesagt hast. Erklär mir, warum du hier allein herumsitzt und
dich so betrinkst, dass dir übel wird.«
»Mir war
schon übel, bevor ich die Flasche gekauft ha be. Ich weiß nicht, wo ich
anfangen soll.« Seth fuhr sich mit den Händen durch das Haar. »Wohl am besten
am Anfang.« Er presste die Finger auf die Lider. »Ich bin ziemlich
angetrunken. Ich brauche einen starken Kaffee.«
»Ich werde
dir einen kochen.«
»Dru!« Seth
hob die Hände in einer hilflosen Geste und ließ sie dann gleich wieder fallen.
»Alles, was ich dir gesagt habe, seit du durch diese Tür gekommen bist, war
eine Lüge.«
Sie tat
einen tiefen Atemzug. Vorerst wollte sie sich bemühen, ihre Wut und ihren
Schmerz beiseite zu schieben und ihm zuhören. »Na schön. Ich werde dir einen
Kaffee kochen, und dann kannst du mir ja die Wahrheit erzählen.«
»Das
Ganze reicht weit
in die Vergangenheit zurück«, begann Seth. »In die Zeit, als mein Großvater
noch lebte. Bevor er Stella geheiratet hat. Bevor er sie überhaupt kennen
gelernt hat. – Dru, es tut mir so Leid, dass ich dir wehgetan habe.«
»Erzähl
einfach. Über das andere reden wir später.«
Er nahm
einen Schluck Kaffee. »Ray hatte damals eine Affäre mit einer Frau«, erzählte
er. »Sie waren beide jung und ungebunden, also warum nicht? Aber er war nicht
der Typ Mann, den sie suchte. Ein Lehrer, obendrein einer, der politisch eher
links stand, während sie nach rechts tendierte. Sie kam aus einer Familie wie
der deinen. Was ich damit sagen will, ist ...«
»Ich weiß
schon, was du meinst. Sie hatte eine bestimmte gesellschaftliche Position und
gewisse Ambitionen, was ihre Zukunft anging.«
»Genau.« Er
atmete tief durch, trank mehr Kaffee. »Danke. Sie hat die Beziehung beendet
und ist gegangen, ohne Ray zu sagen, dass sie schwanger war. Darüber war sie
nicht gerade erfreut, wenn ich das richtig verstanden habe. Sie hat einen
anderen Mann kennen gelernt, einen, mit dem sie sich wohl auf Anhieb verstand.
Also hat sie sich entschieden, das Kind zu bekommen und ihn geheiratet.«
»Und sie
hat deinem Großvater nie von dem Kind erzählt?«
»Nein, das
hat sie nicht. Kurz darauf bekam sie eine zweite Tochter – Sybill.«
»Sybill?
Aber dann ist ja ... Oh!« Dru ging alles in Gedanken noch einmal durch, bis es
für sie einen Sinn ergab. »Ich verstehe. Ray Quinns Tochter, Sybills
Halbschwester. Deine Mutter.«
»Ihr Name
ist Gloria. Sie ist nicht wie Sybill. Gloria hat Sybill gehasst. Sie muss wohl
mit einem Hass auf Gott und die Welt geboren worden sein. Egal, was ihr auch
geboten wurde, als sie heranwuchs, es schien nie genug zu sein.«
Seth war
bleich und sah abgespannt und krank aus. Dru musste gegen das Verlangen
ankämpfen, ihn einfach in die Arme zu nehmen und zu trösten. »Manche Menschen
können einfach nie genug bekommen.«
»Das stimmt
wohl. Irgendwann ist sie dann mit einem Kerl auf und davon und hat sich ein
Kind machen lassen. Das war ich. Der Typ hat sie sogar geheiratet. Aber das ist
nicht wichtig. Ich habe ihn nie kennen gelernt. Er spielt bei der ganzen Sache
keine Rolle.«
»Dein Vater
...«
»Mein
Erzeuger«, verbesserte Seth sie. »Ich weiß nicht, was zwischen ihnen
vorgefallen ist, und es ist mir auch egal. Als Gloria das Geld ausging, ist sie
nach Hause zurückgekehrt und hat mich mitgenommen. Ich erinnere mich aber
nicht mehr daran. Sie haben sie nicht gerade mit offenen Armen empfangen.
Gloria hatte eine Schwäche für Alkohol und verschiedene Drogen entwickelt. Ich
glaube, sie ist jahrelang immer mal wieder aufgetaucht und dann wieder
verschwunden. Ich weiß, dass sie mich immer mal wieder bei Sybill abgeladen
hat, als die eine eigene Wohnung in New York hatte. Ich kann mich daran aber
kaum erinnern und habe Sybill überhaupt nicht erkannt, als ich sie Jahre
später das erste Mal wieder traf. Ich war ja damals noch sehr klein. Aber
Sybill hatte mir einen Plüschhund geschenkt. Ich habe ihn > Dir < genannt.
Weißt du, als ich sie fragte, wem er gehört, sagte sie ...«
» > Dir« < ,
beendete Dru den Satz tief berührt und strich ihm übers Haar. »Sie war eben
lieb zu dir.«
»Sie war
großartig. Wie ich schon sagte, ich erinnere mich nicht mehr an sehr viel, nur
daran, dass ich mich sicher fühlte, wenn ich bei ihr war. Sybill nahm Gloria
und mich bei sich auf kaufte uns
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