Nora Roberts
stehen.
Diese Frau
ist mir bei ihren Besuchen im Blumenladen gar nicht so resolut vorgekommen,
sinnierte Dru. Ob es wohl irgendjemanden gab, der aus einer Auseinandersetzung
mit ihr als Sieger hervorging?
Aber sie
hatte Recht, Dru war wirklich kalt. Also gab sie auf, zog die nasse Bluse aus,
gab einen kleinen Seufzer von sich und befreite sich auch von dem ebenfalls
nassen Büstenhalter. Sie schloss gerade die Knöpfe von Annas Bluse, als diese
zurückkam.
»Meine
Mission war erfolgreich.« Sie hielt Dru ein paar Levis hin. »Ist die Bluse in
Ordnung?«
»Ja,
wunderbar. Vielen Dank.«
»Bringen
Sie Ihre nassen Sachen einfach mit nach unten in die Küche, wenn Sie sich
umgezogen haben.« Sie war schon halb
aus der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte. »Übrigens, Dru: Willkommen im
Tollhaus.«
Da liegt
sie gar nicht einmal so falsch, dachte Dru. Sie konnte die Rufe, das Lachen und
das Dröhnen der Musik durch das geöffnete Fenster hören. Es kam ihr so vor, als
feiere ganz St. Christopher im Garten der Quinns.
Aber als
sie vorsichtig aus dem Fenster spähte, stellte sie fest, dass der ganze Krach
von ihnen allein erzeugt wurde. Teenager unterschiedlichen Alters liefen umher
und zwei, nein drei Hunde. Sie korrigierte die Zahl auf vier, als ein riesiger
Retriever aus dem Wasser gesprungen kam und über den Rasen rannte, um sich
dort, inmitten der Leute, kräftig zu schütteln.
Der Junge,
hinter dem Seth her gewesen war, tat genau das Gleiche. Offenbar war es Seth
gelungen, ihn doch noch zu erwischen.
Boote lagen
vertäut am Steg – was erklärte, warum die Zahl der Wagen in der Einfahrt nicht
der Zahl der Gäste entsprach.
Die Quinns
segelten offenbar gern.
Und sie
waren laut, nass und unordentlich. Die Szene dort unten hatte nichts mit jenen
Familienfeiern gemeinsam, wie sie Drus Eltern veranstalteten. Dort lief stets
gedämpfte klassische Musik, die Unterhaltungen verliefen ruhig und
diszipliniert und die Tische waren sorgfältig gedeckt.
Drus Mutter
war brillant im Erfinden von raffinierten Tischdekorationen und diktierte ihre
präzisen Wünsche dem Partyservice, der sie noch nie enttäuscht hatte.
Dru hatte
keine Ahnung, wie sie sich inmitten dieses Chaos im Garten mit jemandem
unterhalten sollte, aber sie musste sich wohl oder übel unter die Leute
mischen, denn alles andere wäre unhöflich gewesen.
Sie
schlüpfte in die Levis. Der Junge – Kevin, hatte An na ihn wohl genannt – war
offenbar groß. Sie musste den ausgefransten Saum zweimal umschlagen.
Sie warf
einen Blick in den hübschen, holzumrandeten Spiegel über der Kommode und nahm
sich mit einem Kleenex bewaffnet seufzend der verschmierten Wimperntusche
unter ihren Augen an, die sie der unerwarteten Dusche verdankte.
Dann
sammelte sie ihre nassen Sachen ein und machte sich auf den Weg nach unten.
Im Wohnzimmer
stand ein Klavier. Es sah alt und abgenutzt aus. Die Lilien, die sie Seth
verkauft hatte, standen in einer Kristallvase darauf und ihr Duft erfüllte den
Raum.
Das Sofa
schien neu zu sein, der Teppich alt. Es war ein echtes Familienzimmer mit
fröhlichen Farben, gemütlichen Kissen, ein paar herumfliegenden Hundehaaren
und einer weiblichen Note in Form von Blumen und Kerzen. Hier und da standen
Schnappschüsse von der Familie herum, alle in unterschiedlichen Rahmen. Es
hatte offenbar keinen Versuch irgendeiner Planung gegeben, aber gerade das war
es, was den Charme dieses Zimmers ausmachte.
An den
Wänden hingen Gemälde – Meeresansichten, Stadtszenen, Stillleben –, die
bestimmt von Seth stammten. Eine hübsche kleine Bleistiftzeichnung zog Drus
Blick magisch an.
Sie zeigte
das weiße Haus mit seinem weitläufigen Grundstück, gesäumt von Wald und Wasser,
und sagte in all ihrer Schlichtheit: Das ist mein Zuhause. Die Zeichnung
berührte Dru so tief dass sie ein Sehnen verspürte.
Sie trat
näher und betrachtete die Unterschrift in der unteren Ecke. Es war eine
sorgfältige Unterschrift, die sie als die eines Kindes erkannte, ehe sie
überhaupt das Datum las, das darunter stand.
Seth hatte
dieses Bild von dem weißen Haus gezeichnet, als er noch ein kleiner Junge war.
Aber bereits damals hatte er
den Wert seines Zuhauses erkannt und mit großem Talent zu Papier gebracht.
Dru wurde
ganz schwach ums Herz. Seth mochte ein Idiot mit einer zu groß geratenen
Wasserpistole sein, aber er war ein guter Mann. Und wenn es stimmte, dass sich
die Seele eines Künstlers in seiner Kunst spiegelt, war er zudem ein ganz
besonderer
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