Nora Roberts
machte Aubreys Verbindung zu Seth die
Angelegenheit ein wenig heikel.
Also war
Dru auf sich gestellt. Was sie ja auch eigentlich immer gewollt hatte. Aber
nun, da etwas Wunderbares in ihrem Leben geschah und sich so vieles zu verändern
schien, gab es niemanden, mit dem sie ihre Freude hätte teilen können.
Es war ihre
eigene Schuld. Und es lag in ihrer Hand, es zu verändern. Sie nahm sich vor,
daran zu arbeiten, gelassener und offener zu werden.
Die Glocken
der Vordertür läuteten und sagten ihr, dass der erste Kunde des Tages den Laden
betreten hatte. Dru straffte die Schultern. Sie hatte schon einmal bewiesen,
dass sie ihr Leben ändern konnte. Warum sollte es ihr nicht noch einmal
gelingen?
Mit einem
herzlichen Lächeln trat sie aus dem Lager in den Verkaufsraum.
»Guten
Morgen. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Oh, ich
bin mir noch nicht sicher. Ich würde mich gern erst einmal umschauen.«
»Nur zu.
Ist das nicht ein wunderbarer Tag heute?« Dru ging zur Eingangstür, öffnete sie
und schob einen Keil da runter, damit sie offen stehen blieb. »Viel zu schön,
um eingesperrt zu sein. Verbringen Sie Ihren Urlaub in St. Chris?«
»Ja,
allerdings nur ein paar Tage«, erwiderte Gloria.
»Da haben
Sie sich aber eine sehr gute Zeit ausgesucht.« Dru ignorierte den Anflug von
Beklommenheit, der sie angesichts der Art und Weise, wie sie gemustert wurde,
überfiel. »Sind Sie mit Ihrer Familie hier?«
»Nein,
allein.« Gloria strich mit den Fingern über die Blütenblätter eines
Arrangements, ohne die Augen von Dru zu nehmen. »Manchmal muss eine Frau
einfach ein paar Tage für sich haben, finden Sie nicht auch?«
»Da haben
Sie wohl Recht.« Die Frau wirkte eigentlich nicht wie jemand, der Zeit oder
Geld auf Blumen verwandte, fand Dru. Sie wirkte eher kaltschnäuzig, nervös und
– billig. Ihre Shorts waren zu eng und zu kurz, und auch das Oberteil, das sie
trug, schmiegte sich viel zu eng an ihren Körper. Als sie unter dem blumigen
Parfüm der Frau einen leichten Whiskeygeruch bemerkte, fragte Dru sich, ob sie
jetzt wohl ausgeraubt werden würde.
Aber dann
schob sie den Gedanken beiseite. Niemand raubte Blumenläden aus, schon gar
nicht in St. Chris. Und wenn die Frau irgendeine Waffe bei sich trug, musste es
schon eine sehr kleine sein, um sie unter dieser Kleidung verstecken zu können.
Außerdem
war es nicht gerade der richtige Einstieg in einen offeneren Umgang mit ihren
Mitmenschen, über eine Kundin ein Urteil zu fällen, weil ihr deren Kleidungsstil
nicht gefiel.
»Wenn Sie
etwas suchen, um Ihr Hotelzimmer für die Zeit Ihres Aufenthalts ein wenig zu
verschönern: Ich habe diese Woche Nelken im Angebot. Sie haben einen angenehmen
Duft und benötigen kaum Pflege.«
»Das wäre
nicht schlecht. – Wissen Sie, Sie kommen mir irgendwie bekannt vor, und Sie
klingen, als wären Sie nicht von hier.
Vielleicht sind wir uns schon einmal über den Weg gelaufen. Verbringen Sie viel
Zeit in Washington?«
Dru
entspannte sich wieder. »Ich bin dort aufgewachsen.«
»Das muss
es sein. Als ich Sie sah, dachte ich ... Warten Sie mall Sie sind Katherines Tochter.
Prucilla – nein, nein, Drusilla.«
Dru
versuchte sich vorzustellen, ob ihre Mutter tatsächlich irgendeine
Bekanntschaft mit dieser dünnen, geschmacklos gekleideten Frau pflegen könnte,
die nach billigem Parfüm und Whiskey roch. Und verfluchte sich sogleich, weil
sie wie ein Snob dachte.
»Das
stimmt.«
»Donnerwetter.«
Gloria stemmte die Fäuste in die Hüften und setzte ein breites, freundliches
Lächeln auf. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht. »Was zum Teufel tun Sie denn
hier?«
»Ich lebe
jetzt hier. Sie kennen also meine Mutter?«
»Aber klar.
Ich habe mit Kathy in verschiedenen Komitees gesessen. Habe Sie allerdings
eine ganze Weile schon nicht mehr gesehen. Müssen jetzt bestimmt schon drei
oder vier Jahre sein. Das letzte Mal sind wir uns wohl auf einer Veranstaltung
begegnet, bei der Spenden für den Kampf gegen das Analphabetentum gesammelt
wurden. Lesung inklusive Abendessen mit dem Autor im Shorham.«
Die Washington
Post hatte über die Veranstaltung berichtet, und Gloria hatte sich im
Internetarchiv der Zeitung mühelos über alle Details informieren können. »Wie
geht es ihr denn? Und Ihrem Vater?«
Nein, ich
bin kein Snob, dachte Dru, ich bin einfach eine gute Menschenkennerin. Sie
antwortete mit ruhiger Stimme: »Es geht ihnen beiden gut, vielen Dank. Ich
fürchte, ich habe Ihren Namen nicht verstanden.«
»Glo.
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