Nora Roberts
teilten sich das Meer mit den gemieteten
Einhandseglern und den Motorbooten der Urlauber. Die Ferienhausbesitzer, die
ihre Boote in St. Chris liegen hatten, waren immer schon früh draußen. Warum
sollte man auch nur eine einzige Minute eines so perfekten Tages verschwenden?,
dachte Dru.
In ein paar
Monaten würde auch sie sich an einem solch schönen Morgen um ein Boot kümmern
können, würde die Zeit mit Auftakeln, Scheuern und dem Polieren von
Messingteilen verbringen. Ein eigenes Boot zu besitzen bedeutete wesentlich
mehr als die Leinen loszumachen, die Segel zu setzen und sich vom Wind über
das Wasser tragen zu lassen. Es bedeutete einen gehörigen Aufwand an Zeit, Geld
und Energie, die in die Wartung und Pflege flossen. Aber zugleich machte es
einen Teil des Vergnügens aus – so empfand Dru es zumindest.
Sie
arbeitete gern. Zu arbeiten, etwas zu schaffen und mit einem befriedigten
Gefühl zurückzutreten und zu sehen, was sie allein auf die Beine gestellt
hatte, bedeutete für sie pure Selbstverwirklichung.
Sie fand
Gefallen an den vielfältigen Aufgaben, die zur Führung eines Geschäfts
gehörten. Die Buchhaltung, die Kontrolle der Lieferungen, das Ausfüllen der
Bestellungen, das Kalkulieren des Gewinns. Über all das den Überblick zu
bewahren, kam ihrem Sinn für Ordnung entgegen – so, wie es ihrem Sinn für
Ästhetik entsprach, die Blumen im Laden zu arrangieren.
Mit dem eigenen
Boot wollte sie sich dafür belohnen, all das geschafft zu haben.
Und Seth
... Dru war sich nicht vollkommen sicher, welche Rolle Seth für sie spielte.
Sie hatte eine wundervolle Nacht mit ihm verbracht, aber genau wie bei dem
Boot würde eine Beziehung mit ihm niemals nur eine ruhige Segelpartie sein und
gewiss sehr viel Pflege und Wartung benötigen.
Was würde
wohl passieren, wenn der Wind, der sie bis an diesen Punkt getragen hatte, mit
einem Male schwand? Was wäre, wenn sie in einen schweren Sturm gerieten oder
auf Grund liefen oder einfach – wie so viele Paare – feststellten, dass der
Törn an Reiz verloren hatte?
Ach, wenn
sie doch jemals nur den Moment genießen könnte, ohne nach Problemen Ausschau zu
halten!
Seth
faszinierte sie und forderte sie zugleich heraus. Er erregte und amüsierte sie.
Er weckte Gefühle in ihr, wie es noch niemand zuvor getan hatte; nicht einmal –
wie sie sich eingestehen musste – der Mann, den sie beinahe geheiratet hätte.
Sie
bewunderte Seths Selbstbewusstsein, fühlte sich von seiner Ehrlichkeit und
seiner Ungezwungenheit angezogen.
Und sie war
fasziniert von der Wildheit und Leidenschaft, die unter der Oberfläche dieser
Ungezwungenheit brodelten.
Er war in
ihren Augen ein Mann mit einer so bezwingenden Persönlichkeit, wie ihr noch
niemals zuvor ein anderer begegnet war. Er machte sie glücklich. Aber kaum
waren sie ein Liebespaar geworden, hielt sie bereits Ausschau nach möglichen
Schwierigkeiten.
Denn wenn
man sich nicht über die Probleme im Klaren war, bestand die Gefahr, später an
ihnen zu scheitern.
Dru ging
ins Haus und legte die kleine Schere zurück auf ihren Platz im Lagerraum. Wenn
sie doch nur mit einer anderen Frau über die Erregung und die Angst hätte
reden können, die in ihrem Inneren tobte. Sie hätte sich so gern mit einer
Freundin zusammengesetzt und ungezwungen über ihre Gefühle geplappert.
Darüber,
wie ihr Herz zu hüpfen begann, wenn Seth sie anlächelte. Wie es raste, wenn er
sie berührte. Wie wundervoll es war, mit jemandem zusammen zu sein, der sie
als genau der Mensch akzeptierte, der sie war.
Wie gern
hätte Dru jemandem erzählt, dass sie verliebt war.
Keine der
Frauen aus ihren früheren gesellschaftlichen Kreisen hätte das verstanden,
jedenfalls nicht auf die Weise, wie Dru verstanden werden wollte. Sie wären
interessiert, das gewiss, würden sie vielleicht sogar unterstützen. Aber Dru
konnte sich nicht vorstellen, einer dieser Frauen zu
erzählen, wie Seth sie in den Nacken gebissen hatte, um damit ein neidisches Stöhnen
und Seufzen zu ernten. Aber genau das war es, was sie wollte.
Sie konnte
auch wohl kaum ihre Mutter anrufen, um ihr zu sagen, dass sie den
unglaublichsten Sex ihres Lebens mit einem Mann gehabt hatte, den sie zu
lieben begann.
Bei einer
solchen Unterhaltung würden sie sich beide unbehaglich fühlen.
Obwohl Dru
ahnte, dass es nichts gab, womit sie Aubrey schockieren konnte, und sie sich
absolut sicher war, dass sie von ihrer neuen Freundin genau die Reaktion
erhalten würde, die sie sich erhoffte,
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