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Noras Erziehung

Noras Erziehung

Titel: Noras Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Belle
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Außerdem will ich, dass   …»
    Wir drei hörten weiter zu, während er einen kompletten Plan formulierte, der für mich eigentlich nur eine Frage offenließ: «Und wie wollen Sie dafür sorgen, dass Giles glaubt, wir würden das Kapitalismus-Argument bringen?»
    «Indem Sie es ihm unterjubeln, Nora.»
     
    Ich hätte auf keine bessere Aufgabe hoffen können. Nicht nur, dass die Sache großen Spaß machte und ich mir dabei wie eine Geheimagentin vorkam. Es war auch eine großartige Gelegenheit, mich an Giles für sein Verhalten zu rächen. Die Frage war nur, wie sollte ich das anstellen, ohne dass er Verdacht schöpfte?
    Direkt auf ihn zuzugehen, würde nicht funktionieren, denn er war viel zu schlau, um darauf reinzufallen. Auch wenn er sich noch so arrogant gab, er musste gemerkt haben,dass ich nicht allzu angetan von ihm war. Anders wäre es schon, wenn er zu mir käme. Dann könnte ich so tun, als würde mir aus Versehen etwas rausrutschen. Vielleicht nach einem Drink zu viel in der Bar des Studentenparlaments, die ich direkt nach meinem Seminar am Mittwochnachmittag ansteuerte. Wie erwartet, traf ich Giles tatsächlich dort. Doch nicht nur ihn. Zu meiner Überraschung war er in Begleitung von Stephen. Sie unterhielten sich angeregt, und als ich auf sie zuging, meinte ich eine Spur von Verlegenheit oder sogar Schuldgefühl in Stephens Stimme zu hören, als er mich begrüßte. «Hallo, Nora. Alles okay?»
    «Ja, bestens. Ich hatte nach dem Seminar einfach nur Lust auf einen Drink.»
    Giles war wie immer. «Nach einer Stunde sozialer Philosophie mit diesem Arbeiterhelden McLean ist das nicht weiter verwunderlich. Ich hol dir was. Willst du auch noch einen, Mitchell?»
    «Noch ein Pint, bitte.»
    «Für mich bitte einen Portwein.»
    «Davon kriegst du Gicht. Nimm lieber einen Gin Tonic.»
    Er ging zur Bar und ließ Stephen und mich allein zurück. Mir spukte da eine Frage im Kopf herum, die ich ihm schon stellen wollte, seit die beiden sich auf der Jackdaw Lane getroffen hatten. «Wieso sprecht ihr euch eigentlich mit dem Nachnamen an?»
    «Das stammt noch aus der Schule. In Laon Abbey und den meisten anderen Privatschulen wird das einfach so gehandhabt.»
    «Das ist ja schräg.»
    «Eigentlich nicht. Im neunzehnten Jahrhundert war das ganz normal – zumindest in den höheren Schichten. Unddiese Tradition ist eben erhalten geblieben. Genauso wie Richter und Anwälte in England Perücken tragen oder wir uns Roben anziehen, wenn wir den Abschluss bekommen.»
    «Mag sein. Aber es klingt so formell.»
    «Vielleicht. Aber für mich ist das eine Sache, die ich nur mit meinen engsten Freunden tue.»
    «Dann weiß ich also, dass du mich richtig gern hast, wenn du mich Miller nennst?»
    Er lachte. «Kann ich machen, wenn du willst.»
    «Nein. Das würde zu sehr danach klingen, als würde man in der Schule vom Lehrer ermahnt werden. Kommst du morgen Abend, um dir meine Rede anzuhören?»
    «Aber klar. Und Giles kommt auch. Du weißt schon, dass er gewinnen wird. Er gewinnt immer.»
    «Dann steht dir vielleicht eine Überraschung bevor. Dr.   McLean hat ein paar sehr schlagende Argumente auf Lager.»
    Es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, mein kleines Täuschungsmanöver in das Gespräch einzubauen, aber es war Giles gelungen, in rekordverdächtiger Zeit bedient zu werden und zurückzukommen. Außerdem hätte ich nicht dafür garantieren können, dass Stephen es auch weitergegeben hätte. So versuchte ich es mit einer anderen Herangehensweise.
    «Was für Argumente wirst du denn morgen vorbringen, Giles?», fragte ich ihn, nachdem er mir meinen Drink gereicht hatte.
    «Glaubst du allen Ernstes, dass ich dir das vierundzwanzig Stunden vor der Debatte verrate?»
    «Wieso nicht? Wenn du wirklich so gut bist, wie die Leute behaupten.»
    «Ich bin gut, weil ich meinen Gegnern nicht verrate, wasich tue. Ich hoffe, du hast die Latzhose gebügelt und deinen Feministenratgeber griffbereit.»
    «Nein. Eine Argumentation, die in diese Richtung geht, hätte nicht eine Minute Bestand. Und das weißt du auch sehr gut.»
    «Nichts weiß ich. Oxford ist voller Blaustrümpfe. Das war schon immer so.»
    «Wir haben jedenfalls ein viel schlaueres Argument.»
    «Tatsächlich? Sag jetzt nicht, dass ihr zugunsten der Prostitution als freies Unternehmen argumentiert.»
    Ich war sprachlos. Aber nur für einen Moment, denn ich musste mich sofort zwingen, nicht zu grinsen. Er lachte über meine Reaktion, während ich ein übereiltes und

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