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Noras Erziehung

Noras Erziehung

Titel: Noras Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Belle
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wie du lernen, gewisse Kompromisse zu machen. Stephen ist ein ausgezeichneter Fang. Er ist klug und hat genug Knowhow und Kapital, um in wenigen Jahren reich zu werden. Er wäre sogar der perfekte Ehemann für eine aufstrebende Politikerin. Aber auf dieser Welt ist nun mal nichts perfekt, und du musst ihm schon ein paar seiner kleinen Schwächen zugestehen.»
    «Kleine Schwächen? Wie soll ich denn mit einem Ehemann zurechtkommen, der Sex mit anderen Männern hat? Wenn er nun wegen Sex in der Öffentlichkeit verhaftet wird oder so was?»
    «Also wirklich, meine Liebe. Du kannst einfach so schrecklich bürgerlich sein. So etwas Abgeschmacktes würde Stephen nicht mal im Traum einfallen. Aber wenn er mit mir oder ein zwei anderen alten Freunden ein paar Gläser getrunken hat, na ja, dann durchlebt er eben gern noch einmal die Freuden seiner Jugend.»
    «Andere alte Freunde? Du meinst, du warst nicht der Einzige?»
    «Wie wenig du doch über Männer weißt! Ich weiß nicht, mit wie vielen Männern sich Stephen sonst noch amüsiert hat, aber es gab in jedem Jahrgang über fünfzig Schüler. Und die meisten von uns haben das auch getan.»
    «Was?!»
    «Du musst gar nicht so schockiert tun. Was hättest du denn gemacht, wenn du wochenlang mit einem Haufen anderer Mädchen in einer gottverlassenen Kaserne eingepfercht gewesen wärst? Ich wette, ihr wärt euch mindestens täglich einmal an die Wäsche gegangen. Wenn nicht sogar stündlich.»
    «Das glaube ich kaum!»
    Er hob eine Augenbraue. Ich dachte an Violet und sagte nichts mehr. Giles gab erneut ein selbstgefälliges Kichern von sich, fast als hätte er meine Gedanken erraten. «Und du musst zugeben, dass Stephen geradezu erschütternd gut aussieht. Wer könnte ihm schon widerstehen?»
    «Du offensichtlich nicht.»
    «Ich gebe gerne zu, dass es mir nicht immer leichtfällt, dem Charme meiner Geschlechtsgenossen zu widerstehen. So zum Beispiel auch dem deines Freundes. Aber ich schweife ab. Der Punkt ist, du musst dir keine Gedanken machen, dass ich dir Stephen wegnehme. Das tue ich nicht, versprochen. Du hast ihm doch noch nicht erzählt, dass du uns beobachtet hast, oder?»
    «Nein.»
    «Dann hör auf meinen Rat und lass es. Manchmal ist es am besten, derartige Dinge zu übersehen. Denk an all den Mammon und die Unterstützung, die er dir bieten kann, wenn du den rutschigen Berg der politischen Hierarchieerklimmst. Oder hast du vielleicht Lust mitzumachen? Es mir von euch beiden besorgen zu lassen, Seite an Seite und nackt wie Gott euch schuf – das wäre wirklich perfekt.»
    Er beendete seine Ausführungen mit einem langen Seufzer, der eindeutig verriet, dass er sich das Ganze bildlich vorstellte. Ich wollte gerade antworten, schwieg dann aber doch. Ich hatte einfach nichts mehr zu sagen, was diese abscheuliche Blase aus Selbstgerechtigkeit doch noch zum Platzen hätte bringen können.

10
    Als ich Giles’ Zimmer verließ, war ich so wütend, ich hätte am liebsten alles hingeschmissen und ganz von vorn angefangen. Aber auf dem Heimweg wurde mir nach und nach klar, dass hinter seinen Worten eine erschreckende Logik steckte. Ich hatte von Anfang an gewusst, dass meine Berufswahl Opfer von mir verlangen würde, und vielleicht musste ich einfach akzeptieren, dass Stephen schwul war. Rational betrachtet, war es sicher vernünftig, die Sache so zu sehen, aber wenn ich auf mein Herz hörte, kam ich mir betrogen und benutzt vor. Außerdem wäre es ganz und gar gefühllos, sich auf solch ein Arrangement einzulassen. Ich sah mich bereits mit dreißig oder vierzig an meinem Schreibtisch in Papierkram zu irgendwelchen Wahlkreisangelegenheiten stecken, während Stephen mit Giles essen war – den Nachtisch eingeschlossen. Wenn ich das hinnähme, würde ganz bestimmt etwas in mir absterben.
    Ich ertrug den Gedanken nicht, Stephen jetzt zu besuchen. Mein Kopf war voller Bilder, wie er Giles Lancasters Schwanz lutschte, und ich wusste nicht, ob ich mich von ihm berühren lassen konnte. Ich musste nachdenken, und ich musste weinen. Entweder das, oder ich würde mich in die Bewusstlosigkeit trinken. Auf dem Weg in mein Zimmer holte ich mir kurzerhand eine Flasche Wein aus dem College-Kiosk und öffnete sie, sobald ich das Zimmer betreten hatte.
    Doch gerade, als ich die Flasche entkorkte, erschien Violets Kopf in der Tür. «Hallo, Nora. Alles in Ordnung?»
    Ich brach sofort in Tränen aus. Sie kam schnell rein, um mich in den Arm zu nehmen, fragte aber nicht, was los sei, sondern

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