Noras Erziehung
mich. Ich wusste ja nicht mal, dass sie existiert, bevor sie zur Tür reinstürmte. Wieso müssen die Menschen eigentlich so eifersüchtig sein?»
«Das liegt wohl in der menschlichen Natur. Man verteidigt seinen Partner eben.»
«Ja. Aber wir leben schließlich nicht mehr in der Steinzeit, oder? Solange wir vorsichtig sind, sollte das doch wohl nicht so schlimm sein.»
«Und James?»
«Äh, das ist kompliziert.»
«Ich dachte immer, ihr hättet eine stürmische, leidenschaftliche Beziehung. Und jetzt klingst du eher, als wäre es nur etwas Beiläufiges.»
«Stürmisch, ja. Aber … aber das ist meine Schuld. Er ist zwar leidenschaftlich, aber eben nicht genug, um treu zu sein.»
Violet war das Gespräch offensichtlich unangenehm, und nun wechselte ich das Thema. Zumindest konnte ichmir jetzt in etwa vorstellen, was zwischen den beiden abgelaufen war.
Die nächsten Wochen nahm ich so ziemlich dieselbe Routine wieder auf, die ich schon im vorigen Trimester genossen hatte: das Studentenparlament, Arbeit, Rudern, dann Stephen und andere Freunde – besonders Violet. Wir trafen uns andauernd auf unseren Zimmern zum Kaffee. Und obwohl Dr. McLean recht häufig bei ihr war, hatten die beiden sich eindeutig entschlossen, ihre Beziehung diskreter zu handhaben. So radelte Violet jedes Wochenende und ab und zu auch unter der Woche zu seinem Haus in der Eynsham Road.
Ich war sehr versucht, meine Expedition in das kleine, entlegene Wäldchen zu wiederholen, um erneut den Kick zu erleben, mich mit einer Birkenrute zu züchtigen, aber dafür schien einfach keine Zeit zu bleiben. Bei meinem ersten Ausflug hatte ich es so übertrieben, dass meine Pobacken über eine Woche lang mit kleinen roten Striemen übersät waren. Ein Zustand, der das Umkleiden zum Rudern nicht nur schwierig, sondern auch peinlich machte.
Das Studentenparlament nahm mittlerweile immer mehr meiner Zeit in Anspruch. Besonders die Vorbereitung auf die «King and Country»-Debatte erwies sich als sehr aufwendig, zog aber unerwartet viel Interesse nach sich. Als Stimmenzähler hatte ich eine neutrale Rolle, die mich aber gleichzeitig in die überaus nützliche Position brachte, die Werbung übernehmen zu können. Das hieß, mit den Leuten von der Presse, vom Radio und vom Fernsehen zu sprechen – alles Kontakte, die ich später gewiss gut gebrauchen konnte.
Zu meinen Aufgaben gehörte auch, das Meinungsbildim Auge zu behalten, sodass ich der Presse rechtzeitig eine Tendenz mitteilen konnte. Normalerweise hätte der Protokollführer diese Rolle übernehmen müssen, aber da Giles diesmal die Opposition anführte, blieb diese Aufgabe an mir hängen. Ich musste noch immer jede meiner Aktionen von ihm abzeichnen lassen und brauchte durchaus öfter auch seinen Rat.
Eine Woche vor der Debatte sah ich mich einer sehr delikaten Situation gegenüber, denn gleich zwei der großen Fernsehkanäle wollten exklusive Übertragungsrechte für die Debatte. Eigentlich wollte ich die Rechte versteigern, um uns eine möglichst hohe Gage zu sichern, wusste aber nicht, ob die Regeln des Studentenparlaments das überhaupt gestatteten. Außerdem wollte ich die Dokumente von Giles unbedingt gegenzeichnen lassen, damit ich keinen Ärger bekam, wenn die Sache total schieflief.
Er legte bei solchen Unterschriften grundsätzlich ein sehr gleichgültiges Verhalten an den Tag und setzte seine große, mit träger Hand gezeichnete Signatur oftmals unter einen Text, den er gar nicht gelesen hatte. Das galt besonders dann, wenn er ein paar Gläser getrunken hatte. Am Abend, als ich ihm die Papiere zur Unterschrift vorlegen wollte, ging ich erst nach zehn Uhr in die Bar des Studentenparlaments. Er war nicht da, und nachdem ich zunehmend ungeduldig auf ihn gewartet hatte, erfuhr ich irgendwann, dass er hier gewesen, aber längst wieder gegangen wäre. Auch Stephen wäre auf der Suche nach mir hier gewesen, und mir fiel plötzlich ein, dass ich ihn seit dem Wochenende nicht mehr gesehen hatte.
Ich fühlte mich etwas schuldig, als ich die Bar verließ, und entschloss mich, Giles in seinem Zimmer aufzusuchen, um danach für ein bisschen schmutzigen, rauen Sexin mein College zurückzukehren. Es war schon fast elf Uhr. Ich wusste, dass die Türen des St. Mary’s College um diese Zeit verriegelt wurden, sodass man ohne den Schlüssel für die Nachttür nicht mehr reinkam. Glücklicherweise lag Giles’ Zimmer im Erdgeschoss und zeigte auch noch auf die Hauptstraße. Ich bräuchte
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