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Noras Erziehung

Noras Erziehung

Titel: Noras Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Belle
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erntete ich irritierte Blicke von einer Gruppe japanischer Touristen, als ich es mir vor der Eingangstür schnell in den Mund stopfte.
    Meine Kopfschmerzen waren noch schlimmer geworden, und ich hatte große Mühe, mich auf die ausgewählten Bücher zu konzentrieren. Also suchte ich mir einen ruhigen Leseplatz mit Sessel, schloss die Augen und hoffte, dass ein paar Minuten Ruhe die Beschwerden vertreiben würden. Als ich mit einem schrecklichen Geschmack im Mund, aber ohne Kopfschmerzen aufwachte, war es bereits drei Uhr. So schnell es ging, stellte ich meine Notizen zusammen, konnte aber nicht umhin, mir Gedanken über das verpasste Rudertraining zu machen und was wohl mittlerweile im Studentenparlament passiert war.
    Als ich ins College zurückkehrte, lagen vier Nachrichten in meinem Postfach. Alle von Menschen, die mich sofort in Sachen Suarez sprechen wollten. Der Panik nahe, rannte ich ins Studentenparlament und brachte eine hysterische Stunde damit zu, die Meinung dieser Leute zu ändern. Jeder schien persönliche Aufmerksamkeit von mir zu verlangen. Da mein einziger Trost in dem Wissen bestanden hatte, dass Giles noch härter arbeiten musste, war ich nicht gerade angenehm überrascht, ihn in der Bar vorzufinden. Er saß scheinbar völlig ungerührt mit einem Bier in seinem Stammsessel.
    «Überarbeite dich bloß nicht, Giles», sprach ich ihn an und versuchte, dabei so viel Sarkasmus wie möglich in meineStimme zu legen. «Ich habe mit den meisten wichtigen Leuten gesprochen und den Großteil der Presse in unser Boot geholt oder zumindest zu einer neutralen Position gebracht. Außer   …»
    Er brachte mich mit einer Geste zum Verstummen und ließ sich erst dann dazu herab, das Glas abzustellen.
    «Jetzt setz dich doch erst mal, Nora. Ganz ruhig. Hol dir einen Drink.»
    «Ganz ruhig? Wir müssen   …»
    «Nein, müssen wir nicht. Onkel Randolph hat am frühen Nachmittag angerufen und gesagt, es wäre im Moment politisch zu heikel, Suarez ins Land zu lassen. Da habe ich das Ganze natürlich sofort abgeblasen.»
    «Abgeblasen?»
    «Abgeblasen. Sei ein Schatz und lass dir eine plausible Ausrede einfallen, ja?»
     
    Den ganzen Rest der Woche brachte ich damit zu, all die Vorarbeit, die ich für den Besuch von Suarez geleistet hatte, wieder rückgängig zu machen. Dabei überlegte ich mir in jeder einzelnen Minute möglichst grausame und raffinierte Möglichkeiten, sowohl Giles als auch seinen Onkel Randolph umzubringen. Am Wochenende war ich so am Ende, dass ich Violets Einladung annahm, mit zu James zu kommen. In der Nacht zum Sonntag schlief ich dort wie ein Stein, um nachmittags endlich in den Wald geführt zu werden, wo mir mit einer Birkenrute der Hintern gezüchtigt wurde. Die Schläge waren allerdings so milde, dass nicht mal meine Haut brannte, geschweige denn, irgendwelche Male zu sehen waren. Ich hatte gehofft, eine kleine Züchtigung würde wenigstens einen Teil der Gefühle wiederaufleben lassen, die ich in Frankreich empfunden hatte. Dochleider spürte ich nur so etwas wie ein leises Echo unserer Erlebnisse auf der Contentin-Halbinsel und war danach sogar eher frustriert als befriedigt.
    Aber immerhin fühlte ich mich nach der gemeinsamen Zeit mit den beiden ausgeruht genug, um mich den Herausforderungen der kommenden Woche gewachsen zu fühlen. In diesen letzten Tagen vor der Achter-Woche gab es so viel zu tun, dass ich mich schon fragte, ob ich es ohne die Absage des Vortrags von Suarez überhaupt geschafft hätte. Meinem Ärger über Giles tat dies allerdings keinerlei Abbruch – auch wenn er behauptete, mich gesucht zu haben, als ich während der Absage in der Bodleian-Bibliothek schlief. Meiner Ansicht nach hätte er sich an seine Prinzipien halten und nicht nach einem einzigen Anruf von seinem Onkel einknicken sollen.
    Damals war ich einfach zu verblüfft gewesen, um ihm deutlich zu sagen, was ich davon hielt. Doch ein paar Tage später ergab sich nach dem Rudertraining doch eine gute Gelegenheit. Stephen war noch auf dem Wasser, und nachdem ich mich im Bootshaus geduscht und umgezogen hatte, führte mein Weg mich direkt am St.   Mary’s College vorbei. Giles’ Fenster stand offen. Er war also offensichtlich da, und ich hatte vor meinem Seminar gerade noch genug Zeit, um ihm einen kleinen Besuch abzustatten. Da ich von Angesicht zu Angesicht mit ihm sprechen wollte, stellte ich mich nicht auf die Zehenspitzen, um durch das Fenster zu gucken, sondern ging direkt ins College.
    Er

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