Noras großer Traum (German Edition)
Kopfnicken bedeutete er ihr, ihm nach draußen zu folgen.
Auf dem Weg zum Wagen sah sie ihn besorgt von der Seite an.
»Tom, was ist los? Es schaut nicht gut aus, oder?« Sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
»Nein, Sie haben Recht. Ich mache mir Sorgen. Das Kind liegt in Beckenendlage. Das kann zwar manchmal ganz glatt laufen, häufig aber auch zu Komplikationen führen. In diesem Fall hier ist die Mutter total erschöpft und wird nicht mehr lange durchhalten.«
Sie waren am Auto angekommen, und Tom sah sie ernst an.
»Ich werde einen Kaiserschnitt machen müssen. Können Sie mir dabei ein wenig assistieren?«
Nora wurde es augenblicklich zu warm. Sie pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn und musste schlucken. »Ich? Aber ich habe überhaupt keine Ahnung von Geburtshilfe. Es ist mir auch heute noch nahezu unbegreiflich, wie meine Kinder auf die Welt gekommen sind – und da war ich in einem Krankenhaus.«
»Bitte, Nora. Wer soll mir denn sonst helfen? Die meisten der Frauen verstehen mich nicht, und Sally ist erstens ziemlich aufgeregt, und zweitens kann sie mir nicht allein zur Hand gehen.« Er beugte sich in den Wagen und griff nach dem Funkgerät. »Sierra Lima Tango, hier ist Morrison Mobile.« Es knackte in der Leitung, und Greg Wilson antwortete.
»Hier Sierra Lima Tango für Morrison Mobile. Tom, was ist los?«
»Greg, wir sind noch in der Siedlung. Ich habe hier eine Geburt mit drohenden Komplikationen. Eine Schwangere mit Beckenendlage. Ist Bill da?«
»Ja, sprechen Sie, er kommt gerade rein.«
»Also, wie es aussieht, muss ich eine Sectio machen. Wie schnell könnt ihr hier sein? Ich hätte beide danach gerne so rasch es geht im Krankenhaus.«
Bill sah auf die Wanduhr der Funkzentrale, während Greg schon im Nebenraum mit dem Flugplatz und dem Piloten telefonierte. Nach wenigen Sekunden stand er wieder in der Tür und bedeutete Bill mit einem erhobenen Daumen, dass die Maschine startklar gemacht würde. Bill wandte sich wieder dem Funkgerät zu.
»Tom? Wir machen uns auf den Weg. Wir werden in etwa zwei Stunden vor der Siedlung landen. Sorg dafür, dass wir abgeholt werden, und sieh zu, dass sie die Straße mit Lichtern für uns beleuchten, damit wir in der Dunkelheit mit der Frau schneller wieder starten können. Je eher die beiden in der Klinik sind, desto besser.«
Tom nickte kurz und sprach in das Funkgerät: »Ich bin ganz deiner Meinung, Bill.«
Es knackte wieder, als sich Bill erneut meldete.
»Kannst du nicht warten, bis wir dort sind, Tom? Wie willst du das denn allein schaffen? Wer assistiert?«
Unwillkürlich fiel Toms Blick auf Nora, die dem Gespräch mit wachsender Panik zugehört hatte. Bittend sah er sie an. Nora fühlte sich in die Enge getrieben, aber sie erkannte den Ernst dieser Notsituation, und sie wünschte sich im Moment auch nichts mehr, als dass die junge Mutter und ihr Baby überlebten. Nichts stellte sie sich schlimmer vor, als ein Kind zu verlieren. Sofort tauchten die Bilder der Suchaktion wieder vor ihr auf. Sie sah den kleinen Jungen leblos am Boden liegen. Nein, wenn sie es verhindern konnte, wollte sie so etwas nicht noch einmal mitmachen. Mit einer entschlossenen Bewegung reckte sie das Kinn, sah zu Tom und nickte. Er nahm wieder das Funkgerät und lächelte ihr kurz zu.
»Bill? Natürlich würde ich lieber warten, bis ihr hier seid, aber es geht nicht. Die Herztöne des Kindes gefallen mir nicht, und die Mutter hält nicht mehr lange durch. Nora wird mir helfen. Ich muss wieder zur Patientin. Morrison Mobile. Ende.«
Während Tom aus seinem Geländewagen zwei in Folie eingeschweißte OP-Sets mit Kittel und Mundschutz hervorholte, die er für Notfälle genauso dabeihatte wie seinen Arztkoffer, erklärte er Nora schon das weitere Vorgehen. Ihre Aufgabe würde die Überwachung der Atmung und des Blutdrucks sein. Sie waren wieder bei der Hütte angelangt, und Nora folgte Tom zu Lucy, die sich unverändert leise wimmernd hin und her bewegte.
»Sally, ich brauche auch Ihre Hilfe. Holen Sie mehrere frische Laken und alles, was Sie für das Baby schon vorbereitet haben. Außerdem noch einige Schüsseln mit abgekochtem Wasser.«
Schnell verschwand Sally. Die ältere Frau hatte mit wachen Augen zugehört. Ernst sah sie von Lucy zu Tom. Mit glasklarer Stimme sagte sie: »Werden Sie meiner Tochter helfen können, Dr. Morrison?«
Tom war überrascht. »Sie verstehen meine Sprache? Hören Sie, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.« Und
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