Noras großer Traum (German Edition)
still. Ich bin hier.«
Nora versuchte sich zu konzentrieren, sich zu erinnern, aber sie wusste nicht, wo sie war. An ihrem Körper schien es keine Stelle zu geben, die nicht schmerzte. Sie hörte die Stimme jetzt deutlich. Angestrengt flüsterte sie die Namen ihrer Kinder und ihres Mannes. Tom strich ihr sanft über die Wange.
»Nora, du bist in Australien. Wir haben einen Ausflug hier im Outback gemacht. Dann passierte der Unfall. Erinnerst du dich?«
Sie atmete flach und stoßweise. Offensichtlich unter großen Schmerzen öffnete sie die Augen. Sie bemühte sich, die Situation zu verstehen. Ihr Mund war staubtrocken, und sie versuchte zu schlucken. Jede noch so kleine Bewegung ihres Kopfes, das Schlucken, das Atmen, selbst das Bewegen der Augen, alles verursachte höllische Schmerzen. Sie schloss die Augen wieder, aus denen vor Qual und Angst Tränen traten. Sie hatte Tom erkannt, aber an den Unfall selbst konnte sie sich nicht erinnern. »Tom? Was ist... passiert? Was ... war denn nur?«
Tom lächelte ihr zu, unendlich erleichtert darüber, dass sie zu sich gekommen war. Er hantierte in seinem Koffer und zog eine Spritze auf.
»Gleich wird es besser.«
Sie konnte nur noch flüstern. »Tom, bist ... du denn in Ordnung?«
Am Ende ihrer Kräfte, bemerkte sie kaum noch, dass er ihr die Spritze verabreichte, die fast augenblicklich ihre Schmerzen betäubte und sie einschlafen ließ. Er nahm ihre Hand und beobachtete ihr Gesicht. Er fühlte sich fast schon wieder glücklich. Sie lebte. Und sie hatte ihn erkannt, was bei ihrer Kopfverletzung schon an ein Wunder grenzte. Er war tief berührt, dass sie sich selbst im Augenblick der grausamen Schmerzen, die sie zweifellos haben musste, um ihn gesorgt hatte. Beinahe gleichzeitig meldete sich jedoch auch wieder eine dumpfe Verzweiflung, als er daran dachte, dass sie zu ihrer Familie nach Deutschland gehörte. Wie musste es sein, den Menschen, den man liebte, immer bei sich zu haben? Ein gemeinsames Leben, so wie es Bill und Lisa hatten? Nein, es war einfach nicht fair. Tom erinnerte sich an das Foto, das sie ihm gezeigt hatte, und unwillkürlich versuchte er sich Nora gemeinsam mit ihren Kindern vorzustellen, mit ihrem Mann. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. Seine Gedanken wanderten zurück. Er dachte an Sarah, und er fragte sich, wie seine Beziehung zu ihr wohl weitergegangen wäre, wenn er sich nicht entschieden hätte, nach Afrika zu gehen. Hätten sie jetzt vielleicht auch schon Kinder? Wäre es dann trotzdem zu diesen Gefühlen für Nora gekommen? Vorsichtig stand er auf und biss die Zähne zusammen, als er mit seinem verletzten Fuß auftrat. Es war kühl geworden, und die Dämmerung hatte eingesetzt. Er humpelte zum Wagen, um seine Jacke zu holen. Er musste sich ablenken und etwas tun, also nahm er die Stablampe aus dem Kofferraum und kramte dann in der Türablage nach einem Feuerzeug. Als er einen größeren Haufen trockener Zweige aufgetürmt und entzündet hatte, ging es ihm etwas besser. Es hatte einfach keinen Zweck, sich hängen zu lassen. Er war jetzt der einzige Arzt hier und Nora die Patientin. Er musste versuchen, einen klaren Kopf zu bekommen. Als das kleine Feuer munter prasselte, wandte Tom sich wieder Nora zu. Er nahm sein Stethoskop und das Blutdruckmessgerät aus seinem Koffer und vergewisserte sich, dass sich ihr Zustand nicht weiter verschlechterte. Wegen der drohenden Infektionsgefahr verabreichte er ihr Antibiotika; anschließend gab er noch ein Schmerzmittel in den Infusionszugang, damit sie ruhig blieb.
13
S uchend sah sich Lisa im Cameron Hotel um. Schließlich entdeckte sie Martin mit Jason an einem Tisch in der Ecke, wo sie gemeinsam zu Abend aßen. Martin hörte gerade dem jungen Arzt zu und lachte dann laut. Sie schienen sich gut zu verstehen. Langsam trat Lisa näher. Jason sah auf.
»Oh, hallo, Lisa. Setz dich doch zu uns.« Dann bemerkte er ihr ernstes Gesicht, das er nicht zuletzt auf Grund ihrer gemeinsamen Arbeit ziemlich gut einschätzen konnte. »Was ist passiert?« Lisa zögerte einen Moment, dann nahm sie Platz und sah Martin an. »Es hat einen Unfall gegeben.«
Doch Jason reagierte als Erster. »Wer? Sag schon!«
»Es ist Nora. Sie ist schwer verletzt.«
Jason ließ sich gegen die Stuhllehne zurückfallen.
»Und was ist mit Tom?«
»Tom geht es ganz gut, nur ein verstauchter Fuß und ein paar Abschürfungen. Aber bei Nora sieht es schlecht aus.«
Martin blickte fassungslos von einem zum anderen. Bevor er
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