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Nord gegen Süd

Nord gegen Süd

Titel: Nord gegen Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Plünderung und des Menschenraubes vor das Kriegsgericht führte. Vor dieser Behörde, welche zur Zeit ihren Sitz in Saint-Augustine hatte, sollte der Angeklagte sich gegen das ihn Vorliegende verantworten.
Sechstes Capitel.
Saint-Augustine.
    Eine der ältesten Städte Nordamerikas, die schon aus dem fünfzehnten Jahrhundert herrührt. Es ist die Hauptstadt der Grafschaft Saint-John, welche trotz ihrer großen Ausdehnung doch nur dreitausend Bewohner zählt. – Von spanischem Ursprunge, hat sie Aussehen und Charakter fast gar nicht geändert. Sie erhebt sich am Ende einer der Inseln der Küste. Kriegs-und Handelsfahrzeuge können in ihrem Hafen sichere Unterkunft finden, da derselbe gegen die von der Seeseite kommenden Winde, welche an dieser höchst gefährlichen Küste Floridas häufig sehr stark auftreten, hinlänglich geschützt ist. Um da hinein zu gelangen, muß man aber eine schwierige Barre passiren, deren Eingang durch die Wirbel des Golfstromes oft sehr erschwert ist.
    Die Straßen von Saint-Augustine sind enge, wie die aller Städte, auf welche die Sonne ihre Strahlen gelegentlich lothrecht hinabsendet. Dank ihrer Lage und der Seebrise, welche jeden Morgen und jeden Abend die Atmosphäre erfrischt, ist das Klima dieser Stadt besonders mild, und sie nimmt in den Vereinigten Staaten nach dieser Seite etwa die Stelle Nizzas oder Mentones unter dem Himmel der Provence ein.
    Die Bevölkerung hat sich vorzüglich im Hafenviertel und in den benachbarten Straßen zusammengedrängt.
     

    Der Markt von Saint-Augustine. (S. 880.)
     
    Die Vorstädte mit ihren vereinzelten, mit Palmenblättern abgedeckten Häuschen und elenden Hütten würden ohne die Hunde, die Schweine und die Kühe, welche hier eine unbegrenzte Freiheit genießen, so gut wie vollkommen verödet sein.
    Die eigentliche innere Stadt bietet durchweg ein spanisches Aussehen. Die Häuser zeigen sorgfältig vergitterte Fenster und haben im Innern den traditionellen Patio – das ist ein mit schlanken Colonnaden eingefaßter Raum mit phantastischen Giebeln und gleich Altarblättern in Stein gearbeiteten Balcons. Zuweilen, meist an einem Sonn-oder Festtage, ergießen die Häuser alles, was sie bergen, auf die Straße. Das ergiebt dann ein merkwürdiges Gemisch von Sennoras, Negerinnen, Mulattinnen, Halbindianern, Negern und deren Kindern, englischen Damen und Gentlemen, Geistlichen, Mönchen oder anderen katholischen Priestern, fast alle mit der Cigarrette im Munde, selbst wenn sie sich nach der Calvaire, der Parochialkirche von Saint-Augustine, begeben, deren volle Glocken fast unausgesetzt seit der Mitte des 17. Jahrhunderts läuten.
    Hier sind auch die Märkte nicht zu vergessen mit ihrer reichen Zufuhr an Gemüse, Fischen, Geflügel, Schweinen, Lämmern – welche
hic et nunc
auf Verlangen der Käufer abgeschlachtet werden – ferner von Eiern, gesottenen Bananen, »Frijoles«, das sind kleine eingekochte Bohnen, endlich von allen tropischen Früchten, wie Ananas, Datteln, Oliven, Granaten, Orangen, Goyaven, Pfirsichen, Feigen, Maronen – und das Alles zu ganz billigen Preisen, was das Leben in diesem Theile Floridas ebenso angenehm wie leicht macht.
     

    Ein Stadtthor in Saint-Augustine.
     
    Was die Straßenreinigung betrifft, so wird diese im Allgemeinen nicht durch dazu angestellte Straßenkehrer, sondern durch zahlreiche Banden von Geiern besorgt, welche das Gesetz schützt, indem es die Tödtung derselben mit harten Strafen belegt. Diese vertilgen Alles, selbst Schlangen, deren Anzahl, trotz der Gefräßigkeit jener schätzbaren Vertreter der Vogelwelt, leider eine sehr große ist.
    An freundlichem Grün fehlt es dieser Anhäufung von Häusern, welche die eigentliche Stadt bildet, auch nicht. An den Straßenkreuzungen sind häufig kleine Plätze angelegt, welche dem Blicke gestatten, auf Gruppen von Bäumen auszuruhen, deren Höhe die der Dächer übertrifft und welche durch das unaufhörliche Geschnatter wilder Papageien belebt werden. Meist sind es große Palmen, die ihre Kronen im Winde wiegen und deren Blätter den Fächern der Sennoras oder den Punkas der Hindus ähneln. Da und dort verlaufen auch lange Ketten von Lianen oder Glycinen und erheben sich Bouquets riesenhafter Cactusarten, deren unterer Theil eine undurchdringliche Hecke bildet. Alles das ist anziehend, ja reizend zu sehen, und würde es noch mehr sein, wenn die Geier ihren Obliegenheiten gewissenhafter nachkämen. Entschieden vermögen diese aber die mechanischen Besen nicht

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