Nord gegen Süd
sich schon nicht mehr die Sumpfniederungen des unteren Flußlaufes; vielmehr zeigte sich hier eine Art kleiner Thäler mit baumartigen Farren und Ambrabüschen, deren erste zarte Blüthen, durch welche sich Guirlanden von Schlangenkraut und Aristolochia wanden, die Luft mit ihrem durchdringenden Geruch erfüllten. Wo sie aber hier und da solche kleine Zuflüsse entdeckten, hatten diese nur eine ganz geringe Tiefe und bildeten eigentlich nur Wasserfäden, die nicht einmal einem Skiff genug Wasser boten, vorzüglich, da die Ebbe sie fast ganz trocken legte. An deren Rande erhob sich nirgends eine Wohnstätte, höchstens vereinzelte, jetzt verlassene Jägerhütten, die schon seit langer Zeit unbenützt zu sein schienen. Wenn sich hier auch keine menschlichen Wesen aufhielten, hätte man doch glauben können, daß verschiedene Thiere in dieser Wildniß hausten. Das Gebell der Hunde, das Miauen von Katzen, das Quacken von Fröschen, wie das Pfeifen von Reptilien und das Kläffen von Fuchsen schlug einem dann und wann an’s Ohr. Und doch gab es hier weder Füchse noch Katzen, Frösche, Hunde oder Schlangen; Alles kam nur auf den Schrei des fast jede Thierstimme nachahmenden Katzenvogels hinaus, einer Art bräunlicher Drossel mit schwarzem Kopfe und orangerothem Schwanz, den die Annäherung des Bootes aus seinem Verstecke verscheuchte.
Es war jetzt etwa um drei Uhr Nachmittags. Eben glitt das leichte Fahrzeug mit seinem Vordertheile unter das düstere Dickicht riesenhaften Schilfrohrs, als ein kräftigerer Stoß mit dem Bootshaken, dessen Mars sich hier bediente, dasselbe durch eine grüne Wand trieb, welche ganz undurchdringlich schien. Jenseits dieser Wand glitzerte ein, vielleicht einen halben Acker großer Einschnitt, dessen durch ein dichtes Gewölbe von Tulpenbäumen gedecktes Wasser sich wohl noch niemals durch die Strahlen der Sonne erwärmt hatte.
»Da ist ein Teich, den ich bisher nicht gekannt, sagte Mars, der sich erhob, um den Verlauf der Uferwand an der entgegengesetzten Seite zu übersehen.
– So untersuchen wir ihn, antwortete Gilbert. Er muß wohl mit der Kette von Tümpeln zusammenhängen, welche in dieser Lagune zerstreut liegen. Vielleicht werden dieselben doch von einem Nebenflusse gespeist, der uns gestattet, weiter in’s Innere dieses Gebietes einzudringen.
– Ganz recht, Herr Gilbert, bestätigte Mars, dort seh’ ich auch schon die Oeffnung einer Fahrstraße im Nordwesten von uns.
– Kannst Du wohl angeben, fragte der junge Officier, an welchem Orte wir uns befinden?
– Ganz genau nicht, antwortete Mars, wenn das nicht die Lagune ist, welche man die Schwarze Bucht nennt. Uebrigens glaubte ich mit allen Leuten im Lande, daß es unmöglich sei, zu Wasser in dieselbe einzudringen, und daß sie überhaupt nicht mit dem Saint-John in Verbindung stände.
– Befand sich in dieser Bucht nicht ehemals eine zur Abwehr der Seminolen errichtete Befestigung?
– Ja, Herr Gilbert. Doch schon seit langen Jahren hat sich der Eingang zur Bucht vom Flusse her geschlossen, und die Befestigung ist aufgegeben worden. Ich selbst bin übrigens nie bis dahin gekommen, und sie muß jetzt wohl in Trümmern liegen.
– Versuchen wir, dieselbe zu erreichen, sagte Gilbert.
– Ja, wir wollen es versuchen, stimmte Mars zu, obgleich die Sache ziemlich schwierig sein wird. Bald muß es mit dem Wasser zu Ende sein, und das sumpfige Land bietet uns dann nicht hinreichend festen Boden, um über denselben hinzuschreiten.
– Gewiß, Mars; so lange wir also genug Fahrwasser unter uns haben, bleiben wir natürlich in dem Boote.
– Verlieren wir keinen Augenblick, Herr Gilbert; es ist schon drei Uhr, und unter diesen Bäumen muß es zeitig Nacht werden.«
In der That war es jene Schwarze Bucht, in die Gilbert und Mars eingedrungen waren, Dank jenem Stoße mit dem Bootshaken, der ihr Boot unvermuthet durch die Schilfwand getrieben hatte. Wie wir wissen, war diese Lagune nur für ganz leichte Skiffs, wie Squambo ein solches gewöhnlich benützte, wenn er oder sein Herr sich nach dem Saint-John selbst hinaus begab, fahrbar. Um übrigens bis zu dem inmitten dieser umfänglichen Einbuchtung gelegenen Blockhause zu gelangen, das fast unentwirrbare Netzgewebe von Eilanden und schmalen Wasserstraßen zu passiren, mußte man mit deren tausend Windungen genau vertraut sein, und schon seit langen Jahren hatte sich bis hierher Niemand verirrt, ja, man glaubte wohl im Lande gar nicht an das Nochvorhandensein jener kleinen
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