Nord gegen Süd
Schatten.
Gilbert kniete neben dem Sterbenden. Es war ein Schwarzer, dem Anscheine nach ein noch junger Sclave. Sein zerrissenes Hemd ließ eine klaffende Oeffnung in seiner Brust erkennen, aus der das Blut hervorquoll. Die Verwundung mußte eine tödtliche sein, da der Messerstich wohl durch die Lunge gedrungen war.
»Wer bist Du?… Wer bist Du?…« fragte Mars.
Keine Antwort.
»Wer hat Dich verwundet?«
Der Sclave vermochte keine Silbe hervorzubringen.
Inzwischen bewegte Mars den brennenden Zweig hin und her, um die Oertlichkeit zu erkennen, wo dieses Verbrechen begangen worden war.
Da bemerkte er erst besser die Palissade und durch das halb offenstehende Thor derselben die unbestimmten Umrisse des Blockhauses. Es war das wirklich die kleine Veste der Schwarzen Bucht, von deren Vorhandensein in der Grafschaft Duval wahrscheinlich Niemand etwas wußte.
»Die Befestigung!« rief Mars.
Und seinen Herrn neben dem armen Schwarzen zurücklassend, drang er durch das Thor in jene ein.
Binnen einer Minute war Mars durch das Innere des Blockhauses gelaufen und hatte in dessen Einzelräume, die sich von beiden Seiten nach dem mittleren größeren Raume öffneten, einen flüchtigen Blick geworfen. In dem einen fand er die Ueberreste eines Feuers, das sogar noch schwach rauchte. Die Befestigung war also bis vor ganz kurzer Zeit bewohnt gewesen. Doch welcher Art Leuten, Floridiern oder Seminolen, hatte dieselbe als Zufluchtsort gedient? Das mußten sie um jeden Preis erfahren und zwar von einem Verwundeten, der ihnen unter den Händen zu sterben drohte. Sie mußten wissen, wer seine Mörder gewesen seien, die ja nur seit wenigen Stunden entflohen sein konnten.
Mars trat aus dem Blockhaus wieder heraus, lief im Innern der Einfriedigung um die Palissade herum, leuchtete mit seiner Fackel unter alle Bäume… Niemand! Wären Gilbert und er heute Morgen hierher gekommen, vielleicht hätten sie dann die Insassen der Befestigung angetroffen. Jetzt war es zu spät.
Der Mestize kehrte zu seinem Herrn zurück und meldete ihm, daß sie sich beim Blockhaus der Schwarzen Bucht befänden.
»Hat dieser Mann eine Antwort geben können? fragte er.
– Nein, erwiderte Gilbert, er ist jetzt ohne Bewußtsein, und ich fürchte sehr, daß er nicht wieder zu sich kommen wird.
– Versuchen wir, was uns möglich ist, Herr Gilbert, bat Mars. Hier liegt ein Geheimniß vor, das zu erforschen sicher von Wichtigkeit ist und das kein Mensch uns zu entschleiern vermag, wenn dieser Unglückliche todt ist.
– Ja, Mars, wir wollen ihn in die Befestigung tragen… Dort erholt er sich vielleicht noch einmal ein wenig… Wir können ihn nicht an dieser Stelle den Athem aushauchen lassen.
– Nehmen Sie die Fackel, Herr Gilbert, sagte Mars. Ich werde ihn schon tragen können.«
Gilbert ergriff den brennenden Harzzveig. Der Mestize nahm den Körper, der nur noch eine leblose Masse war, in die Arme, stieg die Stufen am Ausfallsthore hinauf, drang durch die Oeffnung, welche durch die Umfriedigung Eingang gewährte, und legte seine Last in einem der Zimmer der kleinen Befestigung nieder.
Der Sterbende wurde auf eine dicke Blätterlage gebettet. Mars ergriff darauf seine Kürbisflasche und führte sie ihm zwischen die Lippen.
Wenn auch nur schwach und in längeren Zwischenräumen, klopfte das Herz des Unglücklichen doch noch. Das Leben drohte ihm zu entfliehen… Sollte er sein Geheimniß vor dem letzten Athemzuge wirklich nicht mehr offenbaren?
Die wenigen Tropfen Branntwein schienen ihn ein wenig zu beleben, denn er öffnete noch einmal die Augen und richtete dieselben auf Gilbert und Mars, die ihn dem Tode abzuringen suchten.
Er wollte sprechen. Einige gurgelnde Laute – vielleicht ein Name – kamen mühsam über seine Lippen.
»Rede!… Um Gotteswillen rede!«
Die maßlose Aufregung des Mestizen erschien ganz unerklärlich, als wenn das zu erreichende Ziel, dem er sein ganzes Leben gewidmet, von den letzen Worten dieses Sterbenden abhinge.
Der junge Sclave versuchte vergeblich, einige Silben hervorzubringen… er fand die Kraft dazu nicht mehr…
In diesem Augenblicke fühlte Mars, daß ein Stück Papier sich in dessen Westentasche befand.
Gilbert und Mars drangen unter die Bäume ein. (S. 308.)
Das Papier ergreifen, es entfalten und beim lodernden Scheine der Fackel lesen, war nur das Werk einiger Secunden.
Auf demselben fanden sich, mit einem Kohlenstifte geschrieben, folgende Worte:
»Entführt durch Texar in der
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