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Nord gegen Süd

Nord gegen Süd

Titel: Nord gegen Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Unabhängigkeitserklärung zahlreich das Land durchstreiften.
    Sobald die von einem unwiderstehlichen Drange nach Ungebundenheit erfüllten Brüder Texar sich selbst genügen zu können glaubten, verschwanden sie auch schon. Damals zählten sie vierundzwanzig Jahre. Seitdem beschafften sie sich ihren Lebensunterhalt ohne Zweifel einzig durch Diebstähle von den Feldern und in den Farmen, wo sie hier Brod, dort Früchte wegnahmen, bis sie gar Raubanfälle mit bewaffneter Hand wagten, und als Wegelagerer – wozu sie von Kindheit auf vorgebildet schienen – auftraten.
    Kurz, man sah sie bald nicht mehr in den texanischen Dörfern und Weilern, die sie sonst in Gesellschaft verwegener, ihre Aehnlichkeit zum eigenen Vortheile ausbeutender Landstreicher zu besuchen pflegten.
    Eine Reihe von Jahren ging dahin und die Brüder Texar wurden allmählich, selbst dem Namen nach, gänzlich vergessen. Und obgleich dieser Name später in Florida einen traurigen Widerhall erwecken sollte, so erinnerte doch nichts daran, daß die Beiden ihre erste Jugend in den Küstenprovinzen von Texas verlebt hatten.
    Wie hätte es sonst auch dahin kommen können, daß nach ihrem Verschwinden, in Folge eines gleich zu erwähnenden Umstandes, Niemand die beiden Texars erkannt hätte? Und auf denselben Umstand oder dieselbe Abmachung hin hatten sie eine ganze Reihe von Schandthaten begangen, die ihnen zu beweisen merkwürdig schwer wurde, so daß sie immer der strafenden Hand der Gerechtigkeit entgingen.
    Erst weit später – als deren Doppelexistenz entdeckt und handgreiflich nachgewiesen wurde – erfuhr man, daß sie schon lange Jahre, wenigstens schon zwanzig bis dreißig, getrennt gelebt hatten, während sie ihr Glück auf jede denkbare Weise versuchten. Dabei begegneten sie einander – und gegen jede Beobachtung sicher geschützt – nur höchst selten, entweder in Amerika oder in irgend einem anderen Theile der Welt, wohin das Schicksal sie gerade verschlagen hatte.
    Man wußte auch, daß Einer oder der Andere – welcher von Beiden hätte Niemand sagen können – sich mit dem Negerhandel befaßte. Sie transportirten Sclaven oder ließen solche von den Küsten Afrikas nach den Südstaaten der Union transportiren. Bei diesen Operationen spielten sie nur die Rolle von Vermittlern zwischen den Händlern, die ihre »Waare« an der Küste ablieferten, und den Capitänen der diesem unmenschlichen Verkehre dienenden Schiffe.
    Ob ihr Zwischenhandel viel abwarf, wußte man zwar nicht, doch war das nicht gerade wahrscheinlich Jedenfalls ging er mit der Zeit merklich zurück und hörte allmählich ganz auf, als jener zum menschenunwürdigen Gebahren gestempelte Handel nach und nach in der ganzen civilisirten Welt abgeschafft wurde, und die beiden Brüder mußten diese Erwerbsquelle also zuletzt aufgeben.
    Die Schätze aber, denen sie seit langer Zeit nachstrebten, die sie um jeden Preis an sich reißen wollten, hatten sie noch nicht gesammelt, und dieses Ziel verloren sie auch jetzt nicht aus den Augen. Deshalb beschlossen denn die beiden gewissenlosen Abenteurer, sich ihre außerordentliche Aehnlichkeit zunutze zu machen.
    In derartigen Fällen beobachtet man häufig, daß eine solche Erscheinung sich verändert, wenn einander gleichende Kinder zu Männern heranwachsen.
    Bei diesem Brüderpaare war das anders. Je mehr sie an Alter zunahmen, desto deutlicher, man konnte nicht wohl sagen, nahm ihre körperliche und geistige Aehnlichkeit zu, wohl aber blieb sie, was sie gewesen war – eine nach allen Seiten vollkommene. Es war ganz unmöglich, einen von dem andern zu unterscheiden, und zwar ebenso wenig an Gesichtszügen und an der Körpergestalt, wie an Bewegungen oder Eigenthümlichkeiten der Stimme.
    Das saubere Brüderpaar beschloß also, jenes merkwürdige Naturspiel auszunützen, um die gräulichsten Schandthaten immer mit der Aussicht zu begehen, im Falle einer deshalb ergehenden Anschuldigung durch ein stets bereites Alibi ihre Unschuld darzuthun. Während dann der Eine irgend welches unter ihnen besprochene Verbrechen beging, zeigte sich der Andere geflissentlich an einem beliebigen Orte, so daß, Dank diesem leicht zu erhärtenden Alibi, die Schuldlosigkeit des Ersteren
ipso facto
bewiesen wurde.
    Es versteht sich von selbst, daß sie dabei mit aller Schlauheit besorgt waren, sich niemals auf frischer That abfangen zu lassen; dann hätten sie sich auf ein Alibi ja nicht mehr berufen können und die ganze Machination wäre sehr bald zutage

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