Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
Halsansatz prangte eine Tätowierung, die ein umgedrehtes Kreuz darstellte – ein Zeichen verschiedener Subkulturen, das fälschlicherweise oft als Symbol des Satanismus ausgelegt wird.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte die Frau mit einer hohen Stimme.
„Sind Sie Erdmute von Bergen?“, fragte Jensen.
„Bin ich. Ich empfehle Ihnen Ranen-Met vom Fass und dazu den frischen Honigkuchen mit dem Heilextrakt von Svantevit!“, setzte die Frau ungerührt hinzu.
„Ja, Met und Kuchen sind jetzt zwar nicht so unbedingt die Kombination, die ich bevorzuge, aber probieren würde ich beides durchaus ganz gerne mal“, meinte Benecke mutig. Er probierte immer gerne neue Speisen und Getränke aus.
„Probieren kostet bei uns nichts.“ Erdmute von Bergen drehte sich um, verschwand kurz in einem Nebenraum und kam dann mit einem Trinkhorn und einem Stück Honigkuchen wieder.
Das Trinkhorn füllte sie am Fass zur Hälfte mit Ranen-Met und reichte es Benecke.
Der nahm einen Schluck. Sein skeptisches Gesicht wandelte sich in Erstaunen. „Schmeckt eigentlich ganz gut“, wandte er sich anerkennend an seine Begleiter, „hätte ich, ehrlich gesagt, nicht erwartet.“
„Unser selbst gebrautes Ranen-Met hilft gegen Nierenbeschwerden, senkt den Blutdruck und hat noch eine Reihe anderer positiver Nebenwirkungen“, erklärte Erdmute von Bergen. Dann fuhr sie mit der Hand über den Kuchen und murmelte dazu ein paar Silben, die einer Sprache angehörten, die Benecke unbekannt war. Dabei schloss sie kurz die Augen.
Als sie die fragenden und etwas verdutzten Blicke der anwesenden Männer bemerkte, lächelte sie und meinte: „Es kann nie schaden, wenn man den Kuchen bespricht. Dann verträgt man ihn besser.“
„Ich habe Ihre Internet-Seite gesehen. Sie bezeichnen sich als eine neue Hexe!“, stellte George fest.
„Ja, das ist wahr. Es gibt Dinge, die unsere Wissenschaft bis zum heutigen Tage nicht erklären kann. Man muss sich nur öffnen und mit dem alten Wissen beschäftigen, dann entdeckt man vieles, was gerade in unserer Zeit so wichtig sein könnte.“
Jensen schien das Ganze etwas abkürzen zu wollen. Er zeigte Erdmute von Bergen seinen Ausweis. „Frau von Bergen, wir sind leider nicht zum Spaß hier. Kripo Stralsund. Wir brauchen ein paar Auskünfte von Ihnen.“
„Und von Ihrem Mann“, ergänzte Benecke und beobachtete dabei die überrascht wirkende Frau. „Ist der hier?“
„Er ist eben zum Strand gelaufen. Aber er müsste gleich wieder hier sein.“
„Was heißt gleich?“, fragte Jensen.
„Na ja, in einer Viertelstunde oder so. Wir brauchen immer frischen Seetang. Daraus stellen wir einen Extrakt her, der sich gegen Diabetes und Bluthochdruck bewährt hat. Und außerdem stärkt Seetang das innere Seelengleichgewicht.“ Das bis dahin sehr zufrieden wirkende Gesicht von Erdmute von Bergen veränderte sich nun. Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und beugte sich über den Tresen. „Kripo?
Worum geht es denn eigentlich?“
„Es geht um vier vermisste Männer“, sagte Jensen. „Zwei davon wurden getötet und ohne Kopf aufgefunden.“
„Schreckliche Sache. Ich habe davon in den Lokalnachrichten gehört. Zeitungen lesen wir ja nicht mehr.“
„Wieso das nicht?“, mischte George sich ein, der sich als Angehöriger des Journalistenstandes sofort persönlich angesprochen fühlte.
Erdmute von Bergen zog die Schultern hoch. „Weil die alle lügen! Seit vor ein paar Jahren mal ein paar sehr reißerische Zeilen über uns in einem Boulevardblatt erschienen, halten uns manche Leute für Verrückte, und es war gar nicht so einfach, unseren guten Ruf wiederherzustellen. Was wir betreiben, ist ernsthafte Spiritualität …“
„Trotzdem – ziemlich radikal, gleich alle Zeitungen abzulehnen, nur weil Ihnen eine davon mal geschadet hat“, meinte George. „Es gibt schließlich überall Menschen, die ihren Job vielleicht nicht mit der Ernsthaftigkeit betreiben, wie es eigentlich nötig wäre.“
Erdmute von Bergen betrachtete George in aller Ruhe von oben bis unten.
„Der Kerl, der uns damals so geschadet hat und dann eine Story fabrizierte, bei der man denken konnte, dass wir den ganzen Tag über hier nichts als rituelle Opferungen im Sinn haben, sah genauso harmlos aus wie Sie!“, meinte sie dann.
„Sie sind doch Polizist und nicht Reporter, oder?“
„Also, ich …“
In diesem Augenblick flog die Tür zur Seite, wodurch George aus der Verlegenheit erlöst wurde, auf die Frage
Weitere Kostenlose Bücher