Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
fleucht doch alles Mögliche an Getier herum“, meinte George.
„Ja, aber so einer hier bestimmt nicht!“, stellte Benecke klar.
Jensen runzelte fragend die Stirn. „Und wieso nicht?“ Benecke hob den Käfer noch ein bisschen höher und kniff ein Auge zu. Dann holte er mit der anderen Hand ein Vergrößerungsglas hervor und betrachtete das anscheinend leblose Insekt noch einmal genauer.
George fotografierte den Käfer für den Kriminalbiologen mit dessen Kamera von allen Seiten, ehe dieser ihn in ein kleines Glasgefäß steckte und Jensen für den Gerichtsmediziner übergab.
„Der kleine Kerl hier ist ein Prachtkäfer“, sagte Benecke.
„Über Schönheit lässt sich bekanntlich streiten“, erwiderte Jensen. „Mich ekeln Insekten im Allgemeinen.“
„Nein, er heißt so: Prachtkäfer der Art Merimna astrata aus der Familie Buprestidae. Kommt nur in Australien vor.“
„Ach!“, entfuhr es George.
„Der Prachtkäfer hat sich an eine Umgebung angepasst, in der es häufig zu Buschfeuern kommt …“
„Was in Australien ja der Fall ist“, mischte sich Anja Salomon ein, die es jetzt auch nicht mehr an ihrem Platz auf dem Waldweg hielt und neugierig nähertrat. Als die anderen sie daraufhin erstaunt ansahen, fügte sie noch hinzu: „Ja, ich bin Australien-Fan!“
„Der Prachtkäfer hat sich auf verbranntes Holz als Nahrungsquelle spezialisiert, der würde hier gar nicht genug zu fressen finden“, meinte Benecke. „Seit Kurzem weiß man, dass Prachtkäfer ein Feuer mit besonderen Infrarot-Rezeptoren über viele Kilometer weit orten können … Der hier allerdings nicht mehr, denn der sieht mir aus wie ein Präparat.“
„Dann hat den Käfer jemand absichtlich für die Kennzeichnung der Tat gewählt!“, stellte Jensen stirnrunzelnd fest.
Benecke nickte. „Dass der Prachtkäfer von allein dorthin gelangt und dann verendet ist, halte ich für definitiv ausgeschlossen. Also bleibt nur diese Möglichkeit.“
„Und … wozu?“, fragte Anja Salomon kopfschüttelnd.
Benecke zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht war der Täter ein Australien-Fan, so wie Sie. Aber ich fange schon wieder an zu denken und das führt nur in die Irre!“
Vom Kopf des Getöteten gab es auch weiterhin keine Spur.
Dafür legten Abriebspuren an den Absätzen der Schuhe nahe, dass das Opfer geschleift worden war. „Würde mich nicht überraschen, wenn charakteristische Hämatome unter den Achseln diese Vermutung untermauern“, meinte Benecke dazu.
„Das bringt uns nur leider nicht weiter“, seufzte Jensen.
„Auf jeden Fall ist der Tote nicht nur hier, sondern auch auf einem härteren Untergrund geschleift worden, sonst gäbe es vielleicht Erde an den Füßen, aber nicht solche Spuren an den Schuhen …“
„Wieder ein Indiz, welches darauf hindeutet, dass der Mann nicht hier starb“, merkte Jensen zu den Schlussfolgerungen Beneckes an.
„Wer hat ihn eigentlich gefunden?“, fragte Benecke.
„Touristen“, mischte sich George ein. „Ich habe mit dem Ehepaar gesprochen. Sie wohnen übrigens auch im Hotel Viktoria, und ich nehme daher an, dass wir ihnen noch das eine oder andere Mal begegnen werden. Herr und Frau Steinmüller. Die wollten eigentlich an einem Krimi-Event oder so etwas in der Art hier auf Rügen teilnehmen und haben dann die Gelegenheit genutzt, sich auch die Dolmen anzusehen.“
***
Als George und Benecke später im Auto saßen und auf dem Weg zurück zum Hafenhotel Viktoria waren, sah sich der Kriminalbiologe die Visitenkarte an, die ihm der leitende Kripo-Beamte gegeben hatte.
Kriminalhauptkommissar Ulf Jensen – so stand es auf der Karte, dazu Telefonnummer und Büroadresse, die natürlich mit dem Polizeipräsidium von Stralsund identisch war. „Sie können mich jederzeit anrufen, falls Ihnen zu der Sache noch etwas einfallen sollte!“, hatte Benecke Jensens Worte noch im Ohr. Er atmete tief durch. Eigentlich war er ja hier auf Rügen, um Urlaub zu machen und nicht, um einem Fall nachzuspüren – mochte der auch noch so spannend und herausfordernd sein.
„Ich nehme an, Sie werden doch weiter an der Sache dran bleiben, oder?“, drang die Stimme von Georg Schmitz plötzlich in Beneckes Gedanken.
„Wie bitte?“
„Na ja, oder können Sie es ertragen, dass ein Täter, der zu einem derart abartigen Verbrechen fähig ist, auch nur eine Minute länger als unbedingt nötig frei herumläuft?“ Benecke machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich muss ja auch ertragen, dass
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