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Norden ist, wo oben ist

Norden ist, wo oben ist

Titel: Norden ist, wo oben ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
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Schleuse verlassen und zieht seine Runden mittlerweile genau über dem Feld. Mel und ich werfen uns fast gleichzeitig auf den Boden. Wir brauchen uns nicht abzusprechen, so gut funktionieren wir mittlerweile als Team.
    Der Heli wartet eine Weile, dann dreht er ab und fliegt dorthin, wo das Kaff ohne Namen liegt.
    „Den wären wir los!“, sagt Mel und steht auf.
    „Und wenn er wiederkommt?“, erwidere ich.
    „Dann sind wir nicht mehr hier.“ Mel klemmt sich die Maske unter den Arm und läuft weiter. Dabei bemüht sie sich, keine der Maispflanzen abzuknicken, um nicht noch mehr Spuren zu hinterlassen.
    Es dauert nicht lange und wir haben den Rand des Feldes erreicht. Trotz der Dämmerung und der dichten Wolken ist es hell genug, um einige Hundert Meter weit gucken zu können.
    Vor uns liegt eine Straße und dahinter ein Tennisplatz, was ein bisschen komisch ist, weil weit und breit keine Häuser zu sehen sind. Vielleicht ist das so eine Art geheimes Trainingslager für Tenniscracks. Oder sie haben ihn extra hier in die Pampa gebaut, damit sich kein Nachbar über das Plopp-Plopp-Plopp der Bälle beschwert. Oder es sind die Reste eines pleitegegangenen Freizeitparks, mit dem ein naiver Investor in dieser trostlosen Gegend den Tourismus ankurbeln wollte. Keine Ahnung.
    „Okay, welche Richtung jetzt, Cheyenne?“ Mel guckt mich fragend an.
    Wir hocken am Rand des Maisfeldes, wo wir vor neugierigen Blicken geschützt sind. Was weitgehend überflüssig ist, weil niemand da ist, der uns sehen könnte, und auf der Straße, seitdem wir hier sitzen, kein einziges Auto vorbeigekommen ist.
    „Da lang!“ Ich zeige zuversichtlich in die Richtung, in die die Straße verläuft.
    „Warum ausgerechnet da lang? Warum nicht da vorne?“ Mel zeigt auf den Tennisplatz.
    Ich erläutere es ihr gerne: Tennisplätze sind in aller Regel in der Nord-Süd-Achse ausgerichtet. Das hat den Sinn, dass keiner der Spieler gegen die Sonne gucken muss, denn die geht ja im Osten auf und im Westen unter. Der Architekt, der den Tennisplatz in unserem Park gebaut hat, hat mir das erklärt.
    Die Straße läuft parallel zu dem Tennisplatz, also führt sie von Norden nach Süden. Natürlich weiß ich trotzdem nicht, wo jetzt Norden und wo Süden ist, aber immerhin erhöht sich so unsere Chance, die richtige Himmelsrichtung zu erwischen, um das Doppelte.
    Ich weiß nicht, ob Mel meine Argumentation begriffen hat, aber sie ist einverstanden. Also wagen wir uns aus dem Schutz des Feldes und laufen auf die Straße zu.
    „Große und kleine Ortschaften umgehen wir weiträumig, und wenn ein Auto kommt, schmeißen wir uns in den Graben“, kommandiert Mel, die wieder ganz zu ihrer alten Form zurückgefunden hat.
    Ich nicke nur und blicke skeptisch in den Straßengraben. Dort steht brackiges Wasser und bestimmt gibt es da unten auch Kröten. Ich hasse Kröten.
    Wir gehen brav hintereinander am Straßenrand, obwohl nur selten Autos vorbeikommen. Eigentlich so gut wie nie. Trotzdem ist der Asphalt mit überfahrenen Kröten übersät und das beweist, dass die Viecher nicht besonders helle sind.
    Wir laufen seit einer guten Stunde durch die einbrechende Dunkelheit und ich habe schon dreiundzwanzig tote Kröten gezählt, aber erst drei Autos. Weil es in dieser menschenleeren Gegend so still ist, können wir die bereits von Weitem hören und haben genug Zeit, uns zu verstecken.
    Nach ungefähr zwei Stunden stoßen wir auf eine Kreuzung. Hier sind Schilder mit Richtungsangaben. Auf einem steht auch Rostock. Der Pfeil zeigt genau in die Richtung, aus der wir kommen, und die Kilometerangabe dahinter ist nicht geeignet, Mel milder zu stimmen.
    „Schönen Dank auch, Cheyenne! Wir sind zwei Stunden in die falsche Richtung gelaufen!“
    „Es war eine Fünfzig-fünfzig-Chance, habe ich doch erklärt“, verteidige ich mich. Dabei bin ich selbst ziemlich niedergeschlagen und die Füße tun mir auch weh.
    „Du hast mir erklärt, dass es nur zwanzig Kilometer bis nach Rostock sind! Höchstens fünfundzwanzig! Auf dem Schild da steht, es sind noch hundertdreißig!“
    „Das mit den fünfundzwanzig hast du gesagt“, erwidere ich gereizt. Außerdem verstehe ich gar nicht, warum Mel sich so aufregt. Sie ist immerhin ausgeruht. Sie hat in dem Maisfeld geschlafen, während ich seit gestern Nacht kein Auge mehr zugetan habe.
    „Aber du hast nicht widersprochen!“, faucht Mel.
    „Wozu? Du machst doch sowieso, was du willst!“
    „Was wird das hier? Eine Zwergenrevolte? Der

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