Nordermoor
sein. Erlendur hatte einen Schlüssel zur Wohnung. Sie gingen direkt zum Computer und schalteten ihn ein.
»Der hat ganz schön Power«, sagte Sigurður Óli und überlegte einen Augenblick, ob er Erlendur Größe und Kapazität erklären sollte, ließ es aber bleiben. Nach einigem Hin und Her hatte er Holbergs Passwort zum Server heraus.
»O.K.«, sagte er, »am besten schauen wir mal nach, ob er Netscape hat, damit wählt man sich ins Internet ein, wenn man telefonisch mit dem Server verbunden ist. Dann gehen wir auf START und dann hierher auf PROGRAMS, guck mal, hier ist das Internetprogramm, und da ist auch Netscape. Lass mal sehen, ob er nicht ein paar URLs hier unter Bookmarks hat, aha, jede Menge, verdammt noch mal, das sind wirklich Mengen. Unter Bookmark kann man sich die Adressen speichern, die man häufiger im Internet besucht. Du siehst, wie lang die Liste ist. Wenn ich das richtig sehe, sind das alles Pornoanbieter, deutsche, holländische, schwedische, amerikanische. Es kann sein, dass er sich einiges davon hier auf das C-Laufwerk runtergeladen hat, auf die Festplatte. Dann tun wir das mal hier unten hin, gehen wieder auf START und PROGRAMS, und dann hier in den Windows Explorer, den machen wir auf. Hier ist das ganze Zeugs auf dem C-Laufwerk. Du lieber Himmel.«
»Was?«, fragte Erlendur.
»Die Festplatte ist proppenvoll.«
»Und das bedeutet?«
»Es braucht verdammt viele Dateien, um die Festplatte voll zu kriegen. Da scheinen ganze Spielfilme drauf zu sein. Hier ist etwas, was er ›T-Filme 3‹ genannt hat. Wollen wir mal sehen, was das ist?«
»Unbedingt.«
Sigurður Óli öffnete die Datei, und in einem kleinen Rahmen erschien ein Film. Sie schauten eine Weile hin. Es war eine kurze Szene aus einem Pornofilm.
»War das eine Ziege, die die über sie gehalten haben?«, fragte Erlendur.
»Es gibt 312 T-Filme-Dateien«, sagte Sigurður Óli. »Wahrscheinlich Sodomie-Filme, Pornos mit Tieren. Hier sind G-Filme. Sollen wir uns mal ›G-Filme 88‹ ansehen? Doppelklick auf die Datei, Bildausschnitt vergrößern …«
»Was …«, sagte Erlendur, hörte aber mitten im Satz auf, als sich vier kopulierende Männer auf dem 17-Zoll-Bildschirm ausbreiteten.
»G-Filme bedeutet dann wahrscheinlich Gay-Filme«, sagte Sigurður Óli, als die Szene beendet war. »Schwulenpornos.«
»Der konnte wohl den Hals nicht voll kriegen, der Kerl«, sagte Erlendur. »Wie viele Filme sind es insgesamt?«
»Hier sind weit über tausend Dateien, aber es können noch viel mehr sein.«
Erlendurs Handy klingelte in der Manteltasche. Es war Elinborg. Sie hatte ermittelt, wo man die beiden Männer erreichen konnte, die mit Holberg zusammen auf der Party in Keflavík gewesen waren, in der Nacht, als Kolbrún Gewalt angetan wurde. Elinborg teilte Erlendur mit, dass Grétar, der eine von ihnen, seit Jahren verschollen war.
»Verschollen?«, fragte Erlendur.
»Ja, einer von diesen Fällen, wo die Leute verschwinden.«
»Und der andere?«, fragte Erlendur.
»Der andere sitzt in Litla-Hraun im Knast«, sagte Elinborg. »Ein Problemfall zeit seines Lebens. Hat noch ein Jahr von vier abzusitzen.«
»Für was?«
»Für weiß der Teufel was.«
Kapitel 13
A ls sie in der Spurensicherung die Sprache auf den Computer brachten, hieß es, es würde eine ganze Weile dauern, alle Daten zu untersuchen. Erlendur bestand darauf, dass jede einzelne Datei geöffnet und alles bis ins Kleinste registriert würde, und dazu verlangte er einen detaillierten Bericht über den Inhalt. Nachdem sie mit den Leuten in der Spurensicherung gesprochen hatten, machten sich Sigurður Óli und er auf den Weg nach Litla-Hraun. Sie brauchten ungefähr eine Stunde für die Strecke. Die Sicht war schlecht, die Straße stellenweise vereist, und da das Auto noch Sommerreifen hatte, fuhren sie sehr vorsichtig. Als sie vom Pass herunterkamen, wurde es wärmer. Nachdem sie die Brücke bei der Mündung der Ölfusá überquert hatten, kamen bald die beiden Gefängnisgebäude in Sicht, die aus dem Grau-in-Grau der Umgebung aufragten. Das ältere war weiß gestrichen, hatte drei Stockwerke und die typisch isländische mehrgiebelige Fassade. Jahrelang war das Wellblechdach rot gestrichen gewesen, sodass das Ganze aus der Entfernung wie ein überdimensionaler isländischer Bauernhof ausgesehen hatte. Jetzt war das Dach grau analog zu dem neuen Gebäude, das daneben errichtet worden war. Ein stahlverkleideter, blaugrauer Bau mit einem Turmaufbau, modern und
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