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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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trutzig, gar nicht unähnlich gewissen Fina nzinstitutionen in Reykjavík.
    Wie sich die Zeiten wandeln, dachte Erlendur bei sich.
    Elinborg hatte sie bei der Gefängnisdirektion angemeldet und angegeben, mit wem sie sprechen wollten. Der Gefängnisdirektor nahm sie in Empfang und führte sie in sein Büro, wo sie Platz nahmen. Er sagte, dass er ihnen Informationen über den Häftling geben müsste, bevor sie selbst mit ihm sprechen könnten. Sie kämen zu einer denkbar schlechten Zeit. Der Gefangene war in Isolationshaft, nachdem er zusammen mit zwei anderen Insassen einen Kinderschänder attackiert und beinahe umgebracht hatte. Es widerstrebte ihm, in die Details zu gehen, er wollte aber diese Informationen an die Polizei weitergeben, damit ganz klar sei, dass dieser Besuch die Isolationshaft unterbrechen würde und dass der Gefangene bestenfalls in labiler Verfassung sei. Nach dieser Besprechung wurden sie in den Besuchsraum geführt. Da saßen sie und warteten auf den Gefangenen.
    Er hieß Elliði und war 56 Jahre alt, wiederholt straffällig. In seinem verpfuschten Leben hatte er hier und da gearbeitet und war zur See gefahren, sowohl auf Trawlern als auch auf Frachtern. Hatte Alkohol und Drogen geschmuggelt, wofür er schließlich verurteilt wurde. Elliði hatte es mit Versicherungsschwindel versucht, indem er ein Fischerboot vor Reykjanes anzündete, um es zu versenken. Es gab drei »Überlebende«. Aus Achtlosigkeit war der vierte Mann an Bord zurückgelassen worden, im Maschinenraum eingeschlossen ging er mit dem Boot unter. Die Straftat wurde aufgeklärt, als man nach dem Wrack tauchte und feststellte, dass das Feuer an drei Stellen zugleich ausgebrochen war. Elliði bekam vier Jahre in Litla-Hraun, für Versicherungsschwindel, fahrlässige Tötung und einige kleinere Vergehen, die sich beim Staatsanwalt angesammelt hatten und für die er gleich mit verurteilt wurde. Damals saß er zweieinhalb Jahre.
    Elliði war als Gewalttäter bekannt, und wenn er zuschlug, führte es in den schlimmsten Fällen zu Verstümmelung und dauerhafter Behinderung. Erlendur erinnerte sich besonders an einen Fall, den er unterwegs Sigurður Óli geschildert hatte. Elliði war der Meinung gewesen, einem jungen Mann, der auf Snorrabraut wohnte, einen Denkzettel verpassen zu müssen, und bevor die Polizei zur Stelle war, hatte er es geschafft, ihm so zu Leibe zu rücken, dass sein Opfer vier Tage lang zwischen Leben und Tod schwebte. Er hatte den Mann an einen Stuhl gefesselt und sich einen Spaß daraus gemacht, ihm mit einer Glasscherbe das Gesicht zu zerschneiden. Bevor Elliði überwältigt werden konnte, hatte er einen Polizisten k.o. geschlagen und einem zweiten den Arm gebrochen. Für diese Tat und ein paar kleinere Vergehen war er zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er hatte gelacht, als das Urteil verkündet wurde.
    Die Tür öffnete sich, und Elliði wurde in den Raum geführt, begleitet von zwei Wärtern. Trotz seines Alters war er immer noch kräftig gebaut. Er war glatzköpfig und dunkelhäutig. Die Ohrläppchen seiner kleinen Ohren waren direkt am Hals angewachsen. Trotzdem hatte er geschafft, in das eine Ohr ein Loch stechen zu lassen, von dem ein kleines Hakenkreuz herunterbaumelte. Er hatte ein Gebiss, weswegen beim Sprechen ein pfeifendes Geräusch entstand. Er trug schäbige Jeans und ein schwarzes, kurzärmeliges T-Shirt, sodass man die kräftigen tätowierten Oberarme sehen konnte. Er war fast zwei Meter groß. Sie bemerkten, dass er Handschellen trug. Das eine Auge war rot, das Gesicht verschrammt und die Oberlippe geschwollen.
    »Hirnloser Sadist«, sagte Erlendur leise zu sich selbst.
    Die Wärter bezogen Stellung an der Tür, Elliði ging zum Tisch und setzte sich Erlendur und Sigurður Óli gegenüber. Er musterte sie völlig desinteressiert aus grauen, farblosen Augen.
    »Kennst du einen Mann namens Holberg?«, fragte Erlendur.
    Elliði zeigte keinerlei Reaktion. Tat, als hätte er die Frage nicht gehört. Starrte weiter mit dem gleichen leeren Blick abwechselnd auf Erlendur und Sigurður Óli. Die Gefängniswärter an der Tür sprachen leise miteinander. Von irgendwoher im Gebäude hörte man Gebrüll. Türenschlagen. Erlendur wiederholte die Frage. Seine Worte hallten in dem leeren Raum wider. »Holberg! Erinnerst du dich an ihn?«
    Der Gefangene zeigte noch immer keine Reaktion, sondern begann sich umzuschauen und tat so, als seien sie nicht anwesend. Erlendur und Sigurður Óli blickten sich

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