Nordermoor
des Gefängnisdirektors und erstatteten ihm kurz Bericht über das Vorgefallene. Sie gaben ihrer Meinung Ausdruck, dass Elliði am besten in einer gepolsterten Zelle in der Gefängnispsychiatrie untergebracht wäre. Resigniert pflichtete der Gefängnisdirektor dem bei, sagte aber, dass die Behörden keine andere Möglichkeit hätten, als ihn auf Litla-Hraun zu verwahren. Es war nicht das erste Mal, dass Elliði wegen Brutalität innerhalb der Gefängnismauern zu Isolierungshaft verdonnert worden war, und ganz gewiss nicht das letzte Mal.
Dann verabschiedeten sie sich und gingen nach draußen. Als sie losfuhren und darauf warteten, dass sich das große blau lackierte Tor öffnete, bemerkte Sigurður Óli einen Wärter, der hinter ihnen herrannte und heftig winkte. Sie warteten, bis er beim Auto war.
»Er will mit dir reden«, sagte der Wärter atemlos nach dem Spurt, als Erlendur die Scheibe herunterließ.
»Wer?«, fragte Erlendur.
»Elliði. Elliði will mit dir reden.«
»Wir haben mit Elliði geredet«, sagte Erlendur, »sag ihm, er kann uns mal.«
»Er sagt, dass er dir die Informationen gibt, die du haben willst.«
»Das ist doch gelogen.«
»Das hat er aber gesagt.«
Erlendur blickte Sigurður Óli an, der mit den Achseln zuckte. Er überlegte eine kleine Weile.
»Gut, wir kommen«, sagte er schließlich.
»Er will nur dich, nicht ihn«, sagte der Wärter und schaute auf Sigurður Óli.
Elliði wurde diesmal nicht aus seiner Zelle herausgelassen, sodass Erlendur durch ein kleines Loch in der Tür der Isolierzelle mit ihm sprechen musste. Es öffnete sich, wenn man eine Klappe zur Seite schob. In der Zelle war es dunkel, und Erlendur konnte den Häftling nicht sehen. Er hörte nur seine heisere und röchelnde Stimme. Der Wärter war Erlendur bis zur Tür gefolgt und hatte ihn dann allein gelassen.
»Wie geht’s dem Schwulen?«, war das Erste, was Elliði fragte. Er stand offenbar nicht vor dem Loch an der Tür, sondern im Inneren der Zelle. Vielleicht hatte er sich auch auf dem Bett ausgestreckt. Vielleicht saß er an der Wand. Erlendur hatte den Eindruck, als käme die Stimme tief aus der Dunkelheit. Elliði hatte sich wieder beruhigt.
»Das hier ist kein Kaffeekränzchen«, antwortete Erlendur. »Du wolltest mir was sagen.«
»Was glaubt ihr, wer Holberg umgebracht hat?«
»Wir wissen es nicht. Was willst du von mir? Was ist mit Holberg?«
»Sie hieß Kolbrún, das Mädchen da in Keflavík. Er hat oft darüber geredet. Redete davon, dass es ihn damals um Haaresbreite erwischt hätte, weil die blöde Tussi ihn angezeigt hat. Er hat alles haarklein beschrieben. Willst du hören, was er gesagt hat?«
»Nein«, sagte Erlendur. »Wie war deine Verbindung zu ihm?«
»Wir haben uns ab und zu mal getroffen. Ich habe ihm Schnaps verkauft und Pornos beschafft, als ich auf See war. Wir haben uns kennen gelernt, als wir beide in einer Arbeitskolonne für die Leuchtturm- und Hafenbehörde arbeiteten. Bevor er Lastwagenfahrer wurde. Wir sind in allen Fischerdörfern herumgekommen. Ein verpasster Fick kommt nie wieder, das war das Erste, was er mir beigebracht hat. Er konnte sich ausdrücken. Machte ganz schön was her bei den Weibern. Ein prima Kumpel.«
»Ihr seid also in den Fischerdörfern rumgekommen?«
»Deswegen waren wir damals in Keflavík. Haben den Leuchtturm auf Reykjanes angestrichen. Da drin hat’s höllisch gespukt. Noch schlimmer als in dem dreckigen Loch hier. Holberg hatte keine Angst vor Gespenstern. Er hatte vor nichts Angst.«
»Und er hat dir gleich davon erzählt, dass er Kolbrún vergewaltigt hat, obwohl du ihn erst ganz kurz kanntest?«
»Er zwinkerte mir zu, als er mit ihr zusammen die Party verließ. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Konnte den Kavalier raushängen lassen. Er amüsierte sich darüber, dass ihm nichts angehängt werden konnte. Lachte sich kaputt über den Bullen, der mit dem Mädchen sprach und die Anklage zunichte machte.«
»Kannten sie sich, Holberg und der Polizist?«
»Keine Ahnung.«
»Hat er jemals über die Tochter gesprochen, die Kolbrún nach der Vergewaltigung bekommen hat?«
»Tochter? Ne. Hat sie ein Kind bekommen?«
»Du weißt von noch einer Vergewaltigung«, sagte Erlendur und antwortete nicht auf die Frage. »Eine andere Frau, die er vergewaltigt hat. Wer war das? Welche Frau war das?«
»Das weiß ich nicht.«
»Warum hast du mich dann holen lassen?«
»Ich weiß nicht, wer sie war, aber ich weiß so ungefähr, wann es war und
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