Nordermoor
wo sie gewohnt hat. Das reicht, um sie zu finden.«
»Wo? Und wann?«
»Ja, genau. Aber was bekomme ich dafür?«
»Du?«
»Was wirst du für mich tun?«
»Ich kann nichts für dich tun, und ich habe auch keine Lust, irgendwas für dich zu tun.«
»Doch. Dann sage ich dir, was ich weiß.«
Erlendur überlegte.
»Ich kann nichts versprechen«, sagte er.
»Die Isolierhaft macht mich kaputt.«
»Hast du mich deshalb rufen lassen?«
»Du hast keine Ahnung, wie einen das fertig macht. Ich schnapp noch über in dieser Zelle. Nie machen sie Licht an. Ich weiß nie, was für ein Tag es ist. Man wird wie ein Tier in einem Käfig gehalten. Man behandelt Menschen wie Tiere.«
»Na, du bist mir ja ein schöner Graf von Monte Christo!«, sagte Erlendur höhnisch. »Du bist ein Sadist, Elliði. Ein gottverdammter Sadist von der übelsten Sorte. Ein saudummes Arschloch, das nur auf Brutalität aus ist und Homosexuelle hasst. Rassist außerdem. Du bist der schlimmste Fall von Vollidiot, der mir je untergekommen ist. Ist mir ziemlich egal, ob du hier lebenslänglich hocken musst. Ich werd mal zu denen nach oben gehen und das anregen.«
»Wenn du mich hier rausbringst, sage ich dir, wo sie gewohnt hat.«
»Ich kann dich hier nicht herausbringen, du Blödmann. Dazu habe ich keinerlei Befugnis, und ich habe auch keine Lust dazu. Wenn du aus der Isolationshaft raus willst, solltest du nicht über Leute herfallen.«
»Du könntest einen Deal mit denen machen. Du könntest sagen, dass ihr mich provoziert habt. Du könntest sagen, dass der Schwule angefangen hat. Dass ich kooperationswillig gewesen bin, aber dann ist er anzüglich geworden. Und dann hätte ich dir bei der Ermittlung geholfen. Sie hören auf dich. Ich weiß, wer du bist. Sie hören auf dich.«
»Hat Holberg außer diesen beiden noch andere erwähnt?«
»Wirst du das für mich machen?«
Erlendur überlegte.
»Ich werde sehen, was ich tun kann. Hat er noch andere erwähnt?«
»Nein. Ich weiß bloß von diesen beiden.«
»Du lügst.«
»Nein, tu ich nicht. Die andere hat nie Anzeige erstattet. Es war kurz nach neunzehnhundertsechzig. Er ist nie wieder in den Ort gekommen.«
»Wie heißt der Ort?«
»Bringst du mich hier raus?«
»Wie heißt der Ort?«
»Versprich es!«
»Ich kann nichts versprechen«, sagte Erlendur, »aber ich werde mit ihnen reden. Wo war das?«
»In Húsavík.«
»Wie alt war sie?«
»So ungefähr wie die in Keflavík. Es ist ziemlich ähnlich abgelaufen. Bloß brutaler«, sagte Elliði.
»Brutaler?«
»Willst du hören, wie es war?«, sagte Elliði und konnte seine Erregung kaum verhehlen. »Willst du wissen, was er mit ihr gemacht hat?«
Elliði wartete nicht auf die Antwort. Seine Stimme drang durch die Luke hinaus, und Erlendur sah sich gezwungen, in die Dunkelheit hineinzulauschen.
Sigurður Óli hatte im Auto auf ihn gewartet, und sie fuhren los. Erlendur unterrichtete ihn kurz über sein Gespräch mit Elliði, verschwieg aber den Monolog des Gefangenen zum Schluss. Sie beschlossen, das Einwohnerverzeichnis von Húsavík aus den Jahren um 1960 durchforsten zu lassen. Wenn die Frau in Kolbrúns Alter gewesen war, wie Elliði zu verstehen gegeben hatte, war es vielleicht möglich, sie ausfindig zu machen.
»Und was ist mit Elliði?«, fragte Sigurður Óli, als sie wieder auf dem Pass auf dem Weg nach Reykjavík waren.
»Ich habe gefragt, ob sie die Isolationshaft verkürzen würden, aber das wurde abgelehnt. Mehr kann ich nicht tun.«
»Du hast dein Bestes getan«, sagte Sigurður Óli und lächelte. »Wenn Holberg diese beiden vergewaltigt hat, könnten es dann nicht noch mehr sein?«
»Ja, es könnten noch mehr sein«, sagte Erlendur zerstreut.
»Worüber denkst du jetzt nach?«
»Über zwei Punkte, die mir keine Ruhe lassen«, sagte Erlendur.
»Immer ist da etwas, was dir keine Ruhe lässt«, sagte Sigurður Óli.
»Ich möchte gern genau wissen, woran die Kleine gestorben ist«, sagte Erlendur und hörte, wie Sigurður Óli neben ihm aufstöhnte. »Und ich möchte wissen, ob sie wirklich die Tochter von Holberg war.«
»Worauf willst du eigentlich hinaus?«
»Elliði sagte mir, dass Holberg eine Schwester gehabt hatte.«
»Eine Schwester?«
»Die jung gestorben ist. Wir müssen die Krankenberichte über sie finden. Such die Krankenhäuser ab. Sieh zu, was du findest.«
»Woran ist sie gestorben? Die Schwester von Holberg?«
»Vielleicht an etwas Ähnlichem wie Auður. Holberg hat irgendwann einmal
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