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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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fünfzig in Jeans und blauem Pullover, dunkelhaarig. Sie rauchte eine Zigarette.
    »Habt ihr mit meiner Mutter gesprochen?«, fragte sie freundlich und interessiert, als Elinborg sich vorgestellt hatte und sie in die Wohnung gelassen worden war.
    »Das war Erlendur«, sagte Elinborg. »Wir arbeiten zusammen.«
    »Sie sagte, dass es ihm nicht gut ginge«, sagte Klara und ging vor Elinborg ins Wohnzimmer und bat sie, sich zu setzen. »Mutter macht immer solche Bemerkungen, die kein Mensch versteht.«
    Elinborg antwortete nicht darauf.
    »Ich habe heute frei«, sagte Klara, als wolle sie erklären, warum sie mitten am Tag zu Hause herumhing und rauchte. Sie erklärte, schichtweise bei einem Reisebüro zu arbeiten. Der Mann in der Arbeit, die beiden Kinder schon längst flügge. »Die Tochter studiert Medizin«, sagte sie stolz. Sie hatte die Zigarette kaum ausgemacht, als sie sich schon die nächste anzündete. Elinborg hustete höflich, aber Klara nahm diesen Hinweis nicht wahr.
    »Das mit Holberg habe ich in der Zeitung gelesen«, sagte Klara, als ob sie ihrem Redefluss Einhalt gebieten wollte. »Mama sagte, dass der Mann nach Grétar gefragt hat. Wir waren Halbgeschwister. Mama hat vergessen, ihm das zu sagen, Grétar und ich haben dieselbe Mutter. Und die Väter sind schon lange tot.«
    »Das wussten wir nicht«, sagte Elinborg.
    »Willst du den Kram sehen, den ich aus seiner Wohnung geholt habe?«
    »Das wäre nicht schlecht«, sagte Elinborg.
    »Er hat in einem entsetzlichen Loch gewohnt. Habt ihr ihn gefunden?«
    Klara blickte Elinborg an und sog den Rauch heftig in die Lungen.
    »Wir haben ihn nicht gefunden«, sagte Elinborg, »und ich glaube, wir suchen nicht direkt nach ihm.« Sie hustete wieder höflich. »Es ist mehr als ein Vierteljahrhundert her, seit er verschwunden ist, sodass …«
    »Ich habe keine Ahnung, was passiert ist«, unterbrach Klara und blies eine dicke Rauchwolke von sich. »Wir haben nicht viel Verbindung gehabt. Er war ziemlich viel älter als ich, ging seiner eigenen Wege und war ziemlich unausstehlich. Nie konnte man ein Wort aus ihm herausbekommen, er schikanierte Mutter und hat uns beide bestohlen, wo er nur konnte. Dann ist er ausgezogen.«
    »Holberg hast du nicht gekannt?«, fragte Elinborg.
    »Nein.«
    »Oder Elliði?«, fügte sie hinzu.
    »Was für ein Elliði?«
    »Spielt keine Rolle.«
    »Ich wusste nicht, mit wem Grétar Umgang hatte. Als er verschwunden war, sprach jemand mit mir, Marian, glaube ich, und nahm mich zu seiner Wohnung mit. Ein entsetzliches Loch. Da war ein widerlicher Geruch in dem Zimmer und der Boden übersät mit Abfällen, angefressene Schafsköpfe und verschimmeltes Rübenmus.«
    »Marian?«, fragte Elinborg. Sie war noch nicht lange bei der Kriminalpolizei und kannte den Namen nicht.
    »Ja, das war der Name.«
    »Kannst du dich an eine Kamera in dem Zeugs da bei deinem Bruder erinnern?«
    »Sie war das Einzige, was in diesem Zimmer in Ordnung war. Ich hab sie mitgenommen, aber nie benutzt. Die Polizei glaubte, sie wäre vielleicht gestohlen, und da war mir nicht wohl dabei. Ich bewahre sie in der Abstellkammer unten im Keller auf. Willst du sie sehen? Kommst du wegen der Kamera?«
    »Dürfte ich sie vielleicht einmal sehen?«, fragte Elinborg.
    Klara stand auf. Sie bat Elinborg, einen Augenblick zu warten, ging in die Küche und kam mit einem Schlüsselbund zurück. Sie gingen ins Treppenhaus und die Kellertreppe hinunter. Klara öffnete die Tür zu dem Gang mit den Abstellkammern, ging dann zu einer Tür und öffnete sie. In der Rumpelkammer herrschte ein heilloses Chaos, Liegestühle und Schlafsäcke, Ski- und Campingausrüstungen, ein Fußmassagegerät und ein Mineralwasserbereiter ließen Elinborg innerlich aufstöhnen.
    »Ich habe das in einem Karton hier aufbewahrt«, sagte Klara, die sich in dem Tohuwabohu vorgearbeitet hatte. Sie bückte sich und hob einen kleinen braunen Pappkarton hoch. »Ich glaube, ich habe den ganzen Kram da reingetan. Außer der Kamera hat der Junge eigentlich nichts besessen.« Sie öffnete den Karton und wollte etwas herausnehmen, aber Elinborg hinderte sie daran.
    »Nichts aus dem Karton nehmen«, sagte sie und streckte ihre Hand nach ihm aus. »Man kann nie wissen, welche Bedeutung der Inhalt für uns hat«, sagte sie wie zur Erklärung.
    Klara reichte ihr den Karton mit etwas beleidigter Miene, und Elinborg öffnete ihn. Drinnen waren drei zerlesene Krimis, ein Taschenmesser, ein bisschen Kleingeld und ein Fotoapparat,

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