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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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weiß, dass ihr nach dieser Frau sucht.«
    »Wird über nichts anderes gesprochen?«, echote Sigurður Óli.
    »Drei meiner Freundinnen in Reykjavík, die ich noch aus Húsavík kenne, haben mich seit gestern Nachmittag angerufen, und heute Morgen bekam ich einen Anruf aus Húsavík. Es wird endlos darüber getratscht.«
    »Und seid ihr zu irgendwelchen Schlüssen gekommen?«
    »Eigentlich nicht«, sagte sie und schaute auf ihren Mann. »Was soll dieser Holberg der Frau angetan haben?«
    Sie versuchte nicht, ihre Sensationslust zu verhehlen. Sie platzte fast vor Neugier, und der Eifer war so groß, dass Sigurður Óli es peinlich fand. Er versuchte automatisch, sich vorsichtig auszudrücken.
    »Es geht um eine Gewalttat«, sagte er. »Wir suchen nach einem Opfer, aber das weißt du vermutlich bereits.«
    »Ja, ja. Aber weswegen? Was hat er ihr angetan? Und warum erst jetzt? Ich beziehungsweise wir«, sagte sie nach einem Seitenblick auf ihren Mann, der sich still hingesetzt und das Gespräch angehört hatte, »finden es unglaublich, dass das jetzt nach all den Jahren eine Rolle spielen soll. Ich habe gehört, dass sie vergewaltigt worden sein soll. Stimmt das?«
    »Ich kann leider nichts zu den Ermittlungen sagen«, sagte Sigurður Óli. »Und im Grunde genommen spielt das auch keine Rolle. Meiner Meinung nach solltet ihr nicht zu viel Aufheben davon machen. In Gesprächen mit anderen Leuten, meine ich. Gibt es irgendwas, was du mir sagen kannst, was uns eventuell weiterhelfen könnte?«
    Die Eheleute schauten einander an.
    »Nicht zu viel Aufheben davon machen?«, sagte sie, und ihre Verwunderung schien nicht gespielt zu sein. »Wir machen hier kein Aufheben von etwas. Findest du das, Eyvi, machen wir Aufheben von etwas?« Sie blickte ihren Mann an, der unschlüssig wirkte. »Antworte doch, Mensch!«, sagte sie brüsk, und er schrak zusammen.
    »Nein, das glaube ich nicht, das stimmt nicht.«
    Das Handy von Sigurður Óli begann zu klingeln. Er trug es nicht lose in der Manteltasche wie Erlendur, sondern hatte es in einem ordentlichen Futteral, das am Gürtel seiner akkurat gebügelten Hose befestigt war. Sigurður Óli entschuldigte sich bei den Eheleuten und nahm das Gespräch entgegen. Es war Erlendur.
    »Können wir uns in Holbergs Wohnung treffen?«, fragte er.
    »Was ist denn jetzt los?«, sagte Sigurður Óli.
    »Noch mehr Buddelei«, sagte Erlendur und legte auf.
    Als Sigurður Óli in Nordermoor ankam, waren Erlendur und Elinborg schon da. Erlendur stand am Kellereingang und rauchte eine Zigarette, und Elinborg war drinnen in Holbergs Wohnung. Sigurður Óli kam es so vor, als schnüffelte sie, denn sie streckte den Kopf vor und saugte die Luft durch die Nase ein, atmete aus und dann wieder ein. Er schaute auf Erlendur, der die Achseln zuckte und die Kippe in den Garten warf. Dann gingen sie gemeinsam in die Wohnung.
    »Was für ein Geruch ist das deiner Meinung nach?«, fragte Erlendur Sigurður Óli, der es Elinborg nachmachte und ebenfalls anfing zu schnuppern. Sie gingen durch die Zimmer und schnüffelten hörbar, nur Erlendur nicht, der nach vielen Jahren des Rauchens einen extrem schlechten Geruchssinn hatte.
    »Als ich zuerst hier hereinkam«, sagte Elinborg, »kam es mir so vor, als müssten hier im Haus oder in dieser Wohnung Leute wohnen, die Pferde besitzen. Der Geruch erinnerte mich an Reitstiefel, Sättel und dergleichen. Pferdemist. Es roch ganz klar nach Pferdestall. Es war derselbe Geruch, der in meiner ersten Wohnung war, die ich mir gekauft habe. Aber das hatte gar nichts mit Pferden zu tun, sondern das war Dreck, und es war Feuchtigkeit. Es hatte jahrelang aus einem Heizkörper in den Teppich und den Holzboden getropft, ohne dass etwas dagegen unternommen wurde. Und dann hatte sich das bis in die Kanalisation hinunter geöffnet, und es waren Ratten in der Wohnung. Als die Klempner mit der Arbeit fertig waren, stopften sie einfach Stroh in das Loch und klatschten eine dünne Schicht Zement darüber, und deswegen roch man auch später immer noch diesen Kloakengeruch.«
    »Und damit willst du was andeuten?«, fragte Erlendur.
    »Ich finde, hier ist der gleiche Geruch, nur schlimmer. Feuchtigkeit und Dreck und Kloakenratten.«
    »Ich habe mich mit Marian Briem getroffen«, sagte Erlendur, wusste aber nicht, ob sie den Namen kannten. »Marian hat sich alles über Nordermoor angelesen und kam zu dem Schluss, dass die Tatsache, dass es sich um ein Moor handelt, eminent wichtig ist.«
    Elinborg

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