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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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klingelte das Telefon. Das Mädchen im Schlafzimmer gab ein Lebenszeichen von sich und richtete sich halb auf, schaute sich dann um und stieg aus dem Bett. Erlendur überlegte, ob er antworten sollte. Ob er nicht den Tag mit Eva Lind verbringen sollte. Ihr Gesellschaft leisten, sie vielleicht dazu bewegen, mit ihm zum Arzt zu gehen und den Embryo untersuchen zu lassen. Herauszufinden, ob alles in Ordnung wäre. Etwas mit ihr unternehmen.
    Aber das Telefon hörte nicht auf zu läuten. Das Mädchen stand jetzt im Flur und blickte sich verwirrt um. Sie rief, ob jemand da sei. Eva Lind antwortete, sie wären in der Küche. Erlendur stand auf, traf das Mädchen in der Küchentür und sagte Guten Morgen. Er bekam keine Antwort. Sie hatten beide genau wie Erlendur in ihren Klamotten geschlafen. Das Mädchen schaute sich in der Küche um, die Erlendur demoliert hatte, und beäugte ihn aus den Augenwinkeln.
    Endlich nahm Erlendur den Hörer ab.
    »Was für ein Geruch war da in Holbergs Wohnung?« Erlendur brauchte eine ganze Weile, bis ihm klar wurde, dass es Marian Briems Stimme war.
    »Geruch?«, fragte Erlendur.
    »Was für ein Geruch war in seiner Wohnung?«, wiederholte Marian Briem.
    »So ein unangenehmer Kellergeruch«, sagte Erlendur. »Muffig. Es hat gestunken. Ich weiß nicht. Vielleicht wie nach Pferden?«
    »Nein, das hat nichts mit Pferden zu tun«, sagte Marian Briem. »Ich habe mir einiges über Nordermoor angelesen. Hab mit einem Bekannten gesprochen, der Klempner ist, und er hat mich an andere Klempner verwiesen. Ich habe mit vielen Klempnern gesprochen.«
    »Klempnern?«
    »Außerordentlich aufschlussreich. Du hast mir nichts von den Fingerabdrücken auf dem Foto gesagt.« Die Stimme klang vorwurfsvoll.
    »Nein«, sagte Erlendur. »Ich bin noch nicht dazu gekommen.«
    »Es ist mir zu Ohren gekommen. Irgendein Heckmeck zwischen Grétar und Holberg. Grétar wusste, dass das Mädchen Holbergs Tochter war. Vielleicht wusste er noch mehr.«
    Erlendur schwieg.
    »Was meinst du damit?«, sagte er schließlich.
    »Weißt du, was das Wichtigste an Nordermoor ist?«, fragte Marian Briem.
    »Nein«, sagte Erlendur und hatte Probleme, Marian Briem zu folgen.
    »Es ist so offensichtlich, dass es mir seinerzeit entgangen ist.«
    »Und was ist das?«
    Marian schwieg einen Moment, wie um den Worten mehr Gewicht zu verleihen.
    »Nordermoor ist ein Moor.«

Kapitel 26
    S igurður Óli war erstaunt, dass die Frau an der Tür sein Anliegen kannte, noch bevor er irgendetwas gesagt hatte. Er befand sich wieder einmal in einem Treppenhaus, diesmal in einem dreistöckigen Haus in Grafarvogur. Er hatte sich gerade vorgestellt und erst zur Hälfte seine Erklärung für seinen Besuch vorgebracht, als die Frau ihn mit den Worten hereinbat, dass sie ihn erwartet hätte.
    Es war frühmorgens. Draußen war der Himmel schwer verhangen, es nieselte leicht, und das herbstliche Dunkel lastete über der Stadt und kündigte den Winter an, noch mehr Dunkel und Kälte. Im Rundfunk war darüber gesprochen worden, dass man viele Jahrzehnte zurückgehen müsse, um eine vergleichbare Nässeperiode zu finden.
    Die Frau wollte ihm den Mantel abnehmen. Sigurður Óli zog ihn aus, und sie hängte ihn in einen Schrank. Ein Mann in etwa dem gleichen Alter wie die Frau kam aus einer kleinen Küche und begrüßte ihn mit Handschlag. Die Eheleute waren beide um die siebzig und trugen eine Art Trainingsanzug und weiße Socken, als ob sie joggen gehen wollten. Er hatte sie beim Frühstück gestört. Die Wohnung war sehr klein, aber zweckmäßig eingerichtet, ein kleines Bad, eine Kochnische und ein Wohnzimmer sowie ein geräumiges Schlafzimmer. Die Wohnung war mehr als gut geheizt. Sigurður Óli nahm den Kaffee dankend an und bat um ein Glas Wasser dazu, denn er hatte sofort eine trockene Kehle bekommen. Sie wechselten ein paar Worte über das Wetter, bis Sigurður Óli sich nicht mehr zurückhalten konnte.
    »Du hattest mich erwartet«, sagte er und trank einen Schluck Kaffee. Eine scheußlich schmeckende Plörre.
    »Na ja, es wird über nichts anderes geredet als diese arme Frau, nach der ihr sucht«, sagte sie.
    Sigurður Óli blickte sie verständnislos an.
    »Unter den Leuten, die aus Húsavík stammen«, sagte die Frau, als fände sie es überflüssig, so einfache Dinge zu erklären. »Wir haben über nichts anderes gesprochen, seit ihr diese Person sucht. Wir haben einen sehr aktiven Heimatverein in Reykjavík. Ich bin mir sicher, dass inzwischen jeder

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