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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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und Sigurður Óli schauten einander an.
    »Nordermoor war so etwas wie ein selbstständiges kleines Dorf hier mitten in Reykjavík«, fuhr Erlendur fort. »Die Häuser wurden während des Krieges und danach gebaut, und die Straßen wurden nach den Helden der Isländersagas benannt: Gunnarsbraut und Skeggjagata und so weiter. Hier leben die unterschiedlichsten Menschen, ziemlich gut gestellte, sogar betuchte, bis hin zu Leuten, die von der Hand in den Mund leben und in einer schäbigen Kellerwohnung wie dieser zur Miete wohnen müssen. Hier gibt’s viele kleine Wohnungen, wo alte Leute wie Holberg wohnen, die allerdings charakterlich etwas sympathischer sind, und viele leben genau in einer solchen Souterrainwohnung. Das habe ich alles von Marian.«
    Erlendur machte eine Pause.
    »Und ein weiteres charakteristisches Merkmal von Nordermoor sind eben Souterrainwohnungen wie diese hier. Früher waren das gar keine Wohnungen, sondern Keller, aber dann ließen die Hauseigentümer sie renovieren, ließen Wände einziehen und Küchen installieren, richteten Zimmer ein, machten eine Wohnung daraus. Früher waren in solchen Kellern Arbeitsräume für, wie hat Marian das noch genannt, Heimwirtschaft. Wisst ihr, was das ist?«
    Beide schüttelten den Kopf.
    »Ihr seid natürlich so jung«, sagte Erlendur, wissend, dass sie es unerträglich fanden, wenn er das sagte. »In Kellern wie diesem hatten die Hausmädchen ihre Zimmer. Damals gab es Dienstmädchen in den besseren Familien, die hier lebten. Sie hatten Zimmer in solchen Löchern. Hier war auch die Waschküche, hier war ein Raum, wo man Wurst verarbeitete, beispielsweise, und für andere Essenszubereitung, Abstellräume, Bad und dergleichen.«
    »Nicht zu vergessen, dass es sich um ein Moor handelt«, sagte Sigurður Óli höhnisch.
    »Bist du dabei, uns etwas zu sagen, was von Belang ist?«, fragte Elinborg.
    »Unter solchen Kellern sind Fundamente …«, sagte Erlendur.
    »Das ist ja ganz was Neues«, sagte Sigurður Óli zu Elinborg.
    »… wie unter allen Häusern«, fuhr Erlendur fort und ließ sich durch die Spötteleien nicht stören. »Wenn ihr mal mit einem Klempner redet, wie Marian Briem es gemacht hat …«
    »Was soll denn dieses Gequatsche über Marian Briem?«, sagte Sigurður Óli.
    »… würdet ihr herausfinden, dass sie hin und wieder hier ins Nordermoor bestellt wurden wegen eines Problems, das manchmal erst viele Jahre oder Jahrzehnte später auftaucht, nachdem das Haus auf Moorboden gebaut worden ist. An einigen Stellen kommt das vor, an anderen nicht. Manchen von diesen Häusern kann man das schon von außen ansehen. Viele sind mit Muschelsand verputzt, und man sieht, wo der Verputz endet und die nackte Hauswand am Boden zum Vorschein kommt. Kann fünfzig bis achtzig Zentimeter ausmachen. Und die Sache ist die, der Boden gibt auch drinnen im Haus nach.«
    Erlendur bemerkte, dass sie aufgehört hatten zu grienen.
    »Unter Maklern spricht man von latenten Mängeln, und die Leute haben wirklich Probleme damit, diesem Schlamassel beizukommen. Wenn das Erdreich absinkt, bildet sich Spannung, und die Abwasserrohre unter dem Fundament geben nach. Und es dauert nicht lange, bis die ganze Kloake einfach in die Erde geht. Das kann eine ganze Weile so gehen, denn der Geruch dringt nicht durch die Grundplatte. Aber es können sich feuchte Flecken auf den Fußböden bilden, weil in vielen dieser alten Häuser das Abwasser aus den Heizkörpern mit dem Hauptabflussrohr in den Boden einsickert, wenn das Rohr kaputt ist, und dann steigen Hitze und Dampf wieder hoch. Parkett wölbt sich beispielsweise auf.«
    Jetzt hatte Erlendur die ungeteilte Aufmerksamkeit beider.
    »Dann muss der Fußboden aufgebrochen werden«, fuhr er fort, »und man muss unter die Fundamentplatte, um das Rohr zu reparieren. Die Klempner haben Marian erzählt, dass sie manchmal, wenn sie durch die Grundplatte durch waren, ins Leere gestoßen sind. Mancherorts ist diese Platte verhältnismäßig dünn und darunter nur Luft. Der Boden ist um einen halben oder gar einen ganzen Meter abgesunken. Alles wegen des Moors.«
    Sigurður Óli und Elinborg blickten einander an.
    »Dann ist wohl ein Hohlraum unter dem Fußboden hier?«, fragte Elinborg und stampfte mit dem einen Fuß auf.
    Erlendur lächelte.
    »Irgendwie hat Marian sogar den Klempner ausfindig gemacht, der in dem Jubiläumsjahr 1974 hier ins Haus kam. Dieses Jahr ist vielen ziemlich lebhaft im Gedächtnis, und der Klempner erinnerte sich

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