Nordermoor
Frage zu beantworten. »Wir schauen nach, was der Computer hergibt.«
Sie stand auf, und Erlendur ging hinter ihr her. Sie schloss ein geräumiges Zimmer auf und gab an der Tür einen Sicherheitscode ein. Sie ging zu einem Schreibtisch und schaltete einen Computer ein, während Erlendur sich umsah. Das Zimmer hatte keine Fenster, und an den Wänden standen reihenweise Aktenschränke. Hanna ließ sich den Namen und das Todesdatum von Auður sagen und gab das in den Rechner ein.
»Hier ist es nicht«, sagte sie nachdenklich und konzentrierte sich auf den Bildschirm. »Die EDV-Erfassung reicht nur bis 1984 zurück. Wir sind dabei, alle Daten einzugeben, die die medizinische Fakultät seit ihrer Gründung betreffen, aber das ist noch nicht weiter gediehen.«
»Dann also die Schränke«, sagte Erlendur.
»Ich habe eigentlich keine Zeit dazu«, sagte Hanna und schaute auf die Uhr. »Ich muss wieder in die Vorlesung.«
Sie ging zu Erlendur hinüber und blickte sich rasch um, ging an den Aktenschränken entlang und las die Beschriftungen. Hie und da zog sie eine Schublade auf und blätterte in Papieren, die sie aber schnell wieder zurücklegte. Erlendur hatte den Eindruck, dass die Schubladen alphabetisch geordnet waren, hatte aber keine Ahnung, was darin war.
»Gibt es hier drinnen auch Krankenberichte?«
Hanna stöhnte.
»Sag mir bloß nicht, dass du von der Datenschutzkommission bist«, sagte sie und knallte wieder eine Schublade zu.
»War nur eine Frage«, sagte Erlendur.
Hanna nahm einen Bericht zur Hand und las darin.
»Hier steht etwas von Probeentnahmen«, sagte sie. »Neunzehnhundertachtundsechzig. Hier sind ein paar Namen. Nichts, wofür du dich interessierst.« Sie gab den Bericht in den Schrank zurück, knallte die Schublade zu und öffnete eine andere. »Hier sind noch welche«, sagte sie. »Warte mal. Hier steht der Name Auður und der Name der Mutter. Hier haben wir es.«
Hanna las den Bericht schnell durch.
»Ein Organ entnommen«, sagte sie wie zu sich selbst. »Entnommen im Krankenhaus in Keflavík. Zustimmung der Angehörigen … da steht nichts. Hier steht nichts davon, dass das Organ vernichtet worden ist.«
Hanna schloss die Mappe.
»Es existiert nicht mehr.«
»Darf ich das mal sehen«, sagte Erlendur und machte keinen Versuch, sein Interesse zu verhehlen.
»Das wird dir nichts bringen«, sagte Hanna, legte die Mappe wieder in die Schublade und machte sie zu. »Ich habe dir das gesagt, was du wissen musst.«
»Was steht darin? Was verheimlichst du mir da?«
»Nichts«, sagte Hanna, »und jetzt muss ich wieder in die Vorlesung.«
»Dann werde ich eine einstweilige Verfügung erwirken und heute etwas später wiederkommen, und dann wäre es nicht schlecht, wenn die Mappe an ihrem Platz wäre«, sagte Erlendur und ging in Richtung Tür. Hanna schaute hinter ihm her.
»Versprichst du, dass die Informationen unter uns bleiben?«, sagte sie, als Erlendur die Tür geöffnet hatte und im Begriff war hinauszugehen.
»Das habe ich dir doch gesagt. Das sind Informationen für mich privat«, sagte Erlendur.
»Dann schau dir das an«, sagte Hanna, öffnete die Schublade wieder und reichte ihm die Mappe.
Erlendur schloss die Tür, nahm die Mappe und vertiefte sich in die Unterlagen. Hanna griff zu einer Zigarettenschachtel und zündete sich eine Zigarette an, während Erlendur las. Das Schild, auf dem stand, dass das Rauchen in diesem Zimmer verboten war, ließ sie vollkommen außer Acht, und bald war der Raum voller Qualm.
»Wer ist Eydal?«
»Einer unserer fähigsten Wissenschaftler in der Medizin.«
»Was von dem hier wolltest du mir nicht zeigen? Darf ich nicht mit diesem Mann reden?«
Hanna antwortete nicht.
»Was geht hier eigentlich vor?«, sagte Erlendur.
Hanna sog hörbar den Atem ein.
»Ich habe gehört, dass er selber einige Organe aufbewahrt«, sagte sie endlich.
»Sammelt dieser Mann Organe?«, fragte Erlendur.
»Er bewahrt einige Organe bei sich auf, eine kleine Sammlung.«
»Ein Organsammler?«
»Mehr weiß ich nicht«, sagte Hanna.
»Es ist denkbar, dass das Gehirn bei ihm ist«, sagte Erlendur. »Hier steht, dass er eine Organprobe von Auður zur Untersuchung bekommen hat. Ist das nicht irgendwie peinlich für euch?«
»Er ist einer unserer führenden Wissenschaftler«, sagte sie noch einmal zwischen zusammengebissenen Zähnen.
»Er bewahrt das Gehirn eines vierjährigen Mädchens bei sich zu Hause auf dem Kaminsims auf«, rief Erlendur.
»Ich mache mir keine
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