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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Konfirmationsbilder. Es fehlten die üblichen Fotos vom Abitur, von der feierlichen Exmatrikulation an der Universität, oder Hochzeitsfotos.
    »Wir wollen uns verkleinern«, sagte Katrín wie entschuldigend, als sie sah, wie Erlendur sich umschaute. »Das ist viel zu groß für uns, dieses Ungetüm von einem Haus.«
    Erlendur nickte.
    »Dein Mann, ist der auch zu Hause?«
    »Albert kommt erst heute Abend spät nach Hause. Er ist im Ausland. Ich hatte gehofft, dass wir darüber reden könnten, bevor er zurück ist.«
    »Wollen wir uns nicht setzen?«, fragte Elinborg. Katrín entschuldigte sich für ihre Unhöflichkeit und bat sie, sich zu setzen. Sie setzte sich allein auf das Sofa, und Erlendur und Elín saßen ihr jeder in einem Sessel gegenüber.
    »Was wollt ihr eigentlich ganz genau von mir?«, fragte Katrín und blickte sie abwechselnd an. »Ich verstehe nicht so recht, was ich damit zu tun habe. Der Mann ist tot. Mich geht das nichts an.«
    »Holberg hat vergewaltigt«, sagte Erlendur. »Er bekam eine Tochter mit einer Frau aus Keflavík, nachdem er sie vergewaltigt hatte. Als wir uns näher mit ihm befassten, stellte sich heraus, dass er das schon einmal gemacht hatte, und zwar in Húsavík. Die Frau soll etwa so alt wie das zweite Opfer gewesen sein. Es kann gut sein, dass Holberg auch danach noch vergewaltigt hat, das wissen wir nicht, aber wir müssen sein Opfer in Húsavík ausfindig machen. Holberg wurde in seiner Wohnung ermordet, und unserer Meinung nach besteht Grund zu der Annahme, dass die Erklärung für den Mord in seiner Vergangenheit zu suchen ist, so Abscheu erregend, wie sie ist.«
    Erlendur und Elinborg bemerkten beide, dass diese Rede keinen Eindruck auf Katrín zu machen schien. Sie schrak nicht zusammen, als die Rede von der Vergewaltigung war oder von der Tochter, und sie fragte auch nicht weiter nach der Frau aus Keflavík oder ihrer Tochter. Erlendur ergriff das Wort.
    »Du bist nicht überrascht über diese Sachen«, sagte er.
    »Nein«, sagte Katrín, »wieso sollte ich überrascht sein?«
    »Was kannst du uns über Holberg sagen?«, fragte Erlendur nach einigem Schweigen.
    »Ich habe ihn sofort auf den Bildern in den Zeitungen wiedererkannt«, sagte Katrín, und es war, als wiche das letzte Quäntchen Widerstand aus der Stimme. Ihre Worte sanken zu einem Flüstern herab. »Obwohl er sich stark verändert hat«, sagte sie.
    »Das Foto war bei uns vorhanden«, sagte Elinborg erklärend. »Es stammt aus einem LKW-Führerschein, den er vor kurzem erneuert hatte. LKW-Fahrer. Hat ganz Island abgeklappert.«
    »Zu mir sagte er damals, dass er Rechtsanwalt in Reykjavík sei.«
    »Damals hat er wahrscheinlich für die Leuchtturm- und Hafenbehörde gearbeitet«, sagte Erlendur.
    »Ich war etwas über zwanzig. Albert und ich hatten damals schon zwei Kinder. Wir waren sehr jung, als wir zusammenzogen. Albert war damals gerade auf See. Das geschah nicht oft. Er hatte ein kleines Geschäft und war Versicherungsvertreter.«
    »Weiß er, was passiert ist?«, fragte Erlendur.
    Katrín zögerte einen Moment.
    »Nein, ich habe ihm nie davon erzählt. Und ich wäre dankbar, wenn das hier unter uns bleiben könnte.«
    Sie schwiegen.
    »Hast du niemandem davon erzählt, was passiert ist?«, fragte Erlendur.
    »Ich habe niemandem davon erzählt.« Sie verstummte.
    Erlendur und Elinborg gaben ihr Zeit.
    »Ich gebe mir immer noch selbst die Schuld daran. Herrgott«, stöhnte sie. »Ich weiß, dass das nicht richtig ist. Ich weiß, dass das nichts mit mir zu tun hatte. Es ist vierzig Jahre her, und ich mache mir immer noch Vorwürfe, obwohl ich weiß, dass ich das nicht machen soll. Vierzig Jahre.«
    Sie warteten.
    »Ich weiß nicht, inwieweit ihr die Details hören wollt. Was davon für euch eine Rolle spielt. Wie ich schon sagte, Albert war zur See. Ich bin mit ein paar Freundinnen ausgegangen, und wir trafen diese Männer beim Tanzen.«
    »Diese Männer?«, fragte Erlendur.
    »Holberg und ein anderer, der bei ihm war. Ich habe nie herausgefunden, wie er hieß. Er zeigte mir einen kleinen Fotoapparat, den er bei sich hatte. Ich sprach ein bisschen übers Fotografieren mit ihm. Sie begleiteten uns nach Hause zu meiner Freundin, und da haben wir weiter gefeiert. Wir waren zu viert ausgegangen. Zwei von uns waren verheiratet. Nach einiger Zeit habe ich gesagt, dass ich nach Hause gehen wolle, und da bot er an, mich zu begleiten.«
    »Holberg?«, warf Erlendur dazwischen.
    »Ja, Holberg. Ich lehnte das ab,

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