Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
Vom Netzwerk:
gesehen. Es ist sehr unvollkommen, war nie etwas anderes als ein vorläufiger Bericht. Wie gesagt, ich habe mich näher damit befasst und bin der Meinung, dass ich die Antworten auf einige deiner Fragen habe.«
    »Und?«
    »Eine Erbkrankheit. Gibt es in einigen Familien hierzulande. Der Fall war ziemlich kompliziert, und trotz intensiver Untersuchungen war ich mir lange Zeit nicht sicher. Zum Schluss fand ich es am wahrscheinlichsten, dass der Tumor mit einer erblichen Krankheit in Verbindung stand, Neurofibromatose. Ich gehe nicht davon aus, dass du das schon einmal gehört hast. Die Krankheitssymptome brauchen nicht auffällig zu sein. In manchen Fällen sterben die Leute, ohne dass die Krankheit sich bemerkbar macht. Das sind Krankheitsträger ohne Symptome. Viel verbreiteter aber ist es, dass die Symptome sehr früh auftreten und dann hauptsächlich als Flecken überall am Körper und als Hautgeschwülste.«
    Der Arzt nippte wieder am Glas. »In dem Bericht aus Keflavík wird nichts dergleichen erwähnt, aber ich bin auch nicht sicher, ob sie dort wussten, wonach sie zu suchen hatten.«
    »Den Angehörigen gegenüber haben sie über Flecken auf der Haut gesprochen.«
    »Ach, tatsächlich? Krankheitsdiagnosen sind nicht immer sicher.«
    »Vererbt sich diese Krankheit von Vater zu Tochter?«
    »Das kann der Fall sein. Aber die Vererbung ist nicht darauf beschränkt. Beide Geschlechter können die Krankheit in sich tragen und bekommen. Es heißt, dass der Elephant Man eine Variante dieser Krankheit gehabt hat. Hast du den Film gesehen?«
    »Nein«, sagte Erlendur.
    »Manchmal verursacht die Krankheit ein Hyperwachstum der Knochen, wie im Fall des Elephant Man. Andere behaupten, dass das überhaupt nichts mit ihm zu tun habe. Aber das ist eine andere Geschichte.«
    »Warum hast du nach dieser Krankheit gesucht?«
    »Hirnkrankheiten sind mein Spezialgebiet«, sagte er. »Dieses Mädchen ist einer meiner bemerkenswertesten Fälle. Ich habe alle Berichte über sie gelesen. Sie waren nicht sehr genau. Der Arzt, der sie betreute, war ein miserabler praktischer Arzt und zu dieser Zeit Alkoholiker, wenn ich es richtig verstanden habe. Ich habe mir Informationen darüber beschafft, aber wie dem auch sei, an einer Stelle schrieb er was von akuter Tuberkulose im Gehirn, und diese Beschreibung wurde früher manchmal verwendet, wenn die Krankheit auftrat. Das war mein Ausgangspunkt. Auch das gerichtsmedizinische Protokoll aus Keflavík war nicht sehr genau, darüber sprachen wir soeben. Sie fanden den Tumor und ließen es dabei bewenden.«
    Der Arzt stand auf und ging zu einem großen Bücherschrank. Er griff nach einer Zeitschrift und reichte sie Erlendur.
    »Ich weiß nicht, ob du alles verstehst, was da drin steht, aber in diesem anerkannten amerikanischen Ärztejournal habe ich einen kurzen Artikel über meine Forschungen geschrieben.«
    »Du hast eine wissenschaftliche Arbeit über Auður geschrieben?«, fragte Erlendur.
    »Auð ur hat uns geholfen, der Krankheit besser auf die Spur zu kommen. Sie war für mich und die medizinische Wissenschaft sehr wichtig. Ich hoffe, dass du darüber nicht entsetzt bist.«
    »Der Vater des Mädchens kann der Erbträger gewesen sein«, sagte Erlendur und versuchte immer noch, das zu begreifen, was der Arzt ihm gesagt hatte. »Und er hat die Krankheit auf seine Tochter übertragen. Falls er einen Sohn gehabt hätte, hätte der die Krankheit nicht bekommen?«
    »Sie muss nicht unbedingt in ihm auftreten«, sagte der Arzt, »aber er kann Erbträger sein, wie sein Vater.«
    »Und das heißt?«
    »Wenn er Vater wird, kann das Kind die Krankheit bekommen.«
    Erlendur dachte darüber nach.
    »Aber darüber solltest du mit denen vom Genforschungszentrum reden«, sagte der Arzt. »Die haben die Antworten auf die Fragen nach Vererbung.«
    »Was?«, fragte Erlendur.
    »Wende dich an das Isländische Genforschungszentrum. Das ist unser neuer Gläserpalast. Sie haben die Antworten. Was ist los? Warum erschrickst du so? Kennst du jemanden dort?«
    »Noch nicht«, sagte Erlendur, »aber bald.«
    »Willst du Auður sehen?«, fragte der Arzt.
    Erlendur verstand zunächst nicht, worauf der Arzt hinauswollte.
    »Du meinst …?«
    »Ich habe hier unten ein kleines Labor. Du darfst es dir gerne anschauen.«
    Erlendur zögerte.
    »In Ordnung«, sagte er dann.
    Sie standen auf, und Erlendur folgte dem Arzt eine enge Treppe hinunter. Der Arzt knipste das Licht an, das auf ein strahlend weißes Labor mit

Weitere Kostenlose Bücher