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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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gedacht, nachdem mir klar wurde, dass ich schwanger war. Ich bin sogar soweit gegangen, dass ich mit einem Arzt gesprochen habe, der mich untersuchte und mir riet, es nicht zu tun. Das Kind hätte genauso gut von Albert sein können. Das hat wohl den Ausschlag gegeben. Dann hatte ich nach der Geburt Depressionen. Ich weiß nicht, wie das heißt, heutzutage gibt’s ein Wort für Depressionen nach der Geburt. Ich wurde zur Behandlung ins Landeskrankenhaus geschickt. Nach drei Monaten ging es mir so weit wieder besser, dass ich mich um den Jungen kümmern konnte, und seitdem habe ich ihn immer geliebt.«
    Erlendur wartete einen Moment, bevor er die Vernehmung fortsetzte.
    »Weshalb hat dein Sohn angefangen, in der Datenbank des Genforschungszentrums nach einer Erbkrankheit zu suchen?«, fragte er schließlich.
    Katrín schaute ihn an.
    »Woran starb das kleine Mädchen in Keflavík?«, fragte sie.
    »An einem Hirntumor«, sagte Erlendur. »Die Krankheit heißt Neurofibromatose.«
    Tränen stiegen Katrín in die Augen, und sie seufzte tief.
    »Weißt du das wirklich nicht?«, fragte sie.
    »Was weiß ich nicht?«
    »Unser Augenstern starb vor drei Jahren«, sagte Katrín. »Aus unbegreiflichen Gründen. Vollkommen unbegreiflich.«
    »Euer Augenstern?«, fragte Erlendur.
    »Unser kleiner Schatz«, sagte sie. »Einars Tochter. Sie starb. Das arme kleine Mädchen.«

Kapitel 39
    T otenstille herrschte im Haus.
    Katrín saß mit hängendem Kopf da. Elinborg schaute sie wie vom Donner gerührt an und suchte dann Blickkontakt zu Erlendur. Erlendur blickte vor sich hin und dachte an Eva Lind. Was tat sie jetzt? War sie zu Hause? Er verspürte das Bedürfnis, mit seiner Tochter zu sprechen. Verspürte das Bedürfnis, sie in die Arme zu nehmen, sie an sich zu drücken und sie nicht loszulassen, bevor er ihr gesagt hatte, wie viel sie ihm bedeutete.
    »Das ist ja nicht zu fassen«, sagte Elinborg.
    Erlendur schaute sie an. Und dann Katrín.
    »Dein Sohn ist Erbträger, nicht wahr?«, sagte er.
    »Das war das Wort, was er verwendete. Erbträger. Sie sind es beide, er und Holberg. Er sagte, er habe es von dem Mann, der mich vergewaltigt hat, vererbt bekommen.«
    »Sie selber werden nicht krank«, sagte Erlendur.
    »Es scheinen die Mädchen zu sein, die die Krankheit bekommen«, sagte Katrín. »Die Männer tragen die Krankheit in sich, brauchen aber keine Symptome zu zeigen. Oder wie man das ausdrückt. Ansonsten gibt es da viele Varianten, ich weiß es nicht so genau. Mein Sohn wusste, worum es ging. Er versuchte, es mir zu erklären, aber ich habe gar nicht begriffen, worauf er hinauswollte. Er war sehr erregt. Und ich natürlich auch.«
    »Und er hat das in dieser Datenbank herausgefunden, die man da einrichtet«, sagte Erlendur.
    Katrín nickte zustimmend.
    »Er verstand nicht, warum das arme Kind diese Krankheit bekam, und hat dann dauernd in meiner und in Alberts Familie danach gesucht. Er hat Verwandte befragt, er war nicht zu bremsen. Wir glaubten, dass er auf diese Weise mit dem Schock fertig zu werden versuchte. Diese penetrante Suche nach den Ursachen. Suche nach Antworten, von denen wir glaubten, dass sie nirgends zu finden wären. Er und seine Frau haben sich vor einiger Zeit scheiden lassen. Lara und er. Sie konnten nicht länger zusammenleben und haben beschlossen, sich zeitweilig zu trennen. Ich glaube aber nicht, dass sich das jemals wieder einrenkt.«
    Katrín verstummte.
    »Und dann fand er die Antwort«, sagte Erlendur.
    »Er war davon überzeugt, dass Albert nicht sein Vater war. Er sagte, das könne nicht sein, verglichen mit den Informationen aus der Datenbank. Deswegen kam er zu mir. Er glaubte, dass ich fremdgegangen und dass er so gezeugt worden wäre. Oder dass er ein Adoptivkind wäre.«
    »Hat er Holberg in der Datenbank gefunden?«
    »Das glaube ich nicht. Höchstens später, nachdem ich ihm von Holberg erzählt hatte. Das war so unsinnig. So absurd! Mein Sohn hatte eine Liste mit den möglichen Vätern zusammengestellt, auf der auch Holberg stand. Mit Hilfe der medizinischen und der genealogischen Datenbank konnte er die Krankheit nach Stammbäumen zurückverfolgen, und auf diese Weise kam er darauf, dass er nicht der Sohn von Albert sein konnte. Er war eine Abweichung. Eine Anomalie.«
    »Wie alt war seine Tochter?«
    »Sie war sieben Jahre alt, die Kleine.«
    »Ein Hirntumor hat den Tod verursacht, nicht wahr?«, fragte Erlendur.
    »Ja«, sagte Katrín.
    »Sie ist an derselben Krankheit gestorben

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