Nordfeuer - Kriminalroman
Wagen stieg und auf sie
zukam.
»Das dauert hier noch. Erstmal muss
die Spurensicherung ran, bevor die Leiche abtransportiert werden kann.«
»Leiche?«
Nicht nur der Direktor, auch Haie,
Tom und Marlene schauten Thamsen fassungslos an.
3.
»Also, ich kann mir immer noch nicht erklären, wie da jemand in der
Schule sein konnte.«
Haie saß in der Küche der Freunde
und ließ sich von Marlene einen Tee eingießen.
Thamsen hatte die drei nach Hause
geschickt.
»Sie können hier momentan eh’ nichts
ausrichten«, hatte er zu ihnen gesagt und versprochen, sich zu melden, sofern ihre
Unterstützung benötigt wurde.
»Vielleicht ist jemandem schlecht
geworden oder ist sogar umgekippt«, mutmaßte Tom. Irgendeine Erklärung musste es
schließlich für die Leiche im Lehrerzimmer geben.
»Unmöglich. Ich hab’ doch wie immer
meinen Kontrollgang gemacht. Da war keiner mehr.«
»Und wenn noch einmal jemand zurückgekommen
ist?«, warf Marlene ein.
Haie rührte in seinem Tee.
»Aber wer soll das denn gewesen
sein? Herr Heinrich und Frau Sperber waren vorhin da. Die habe ich gesehen. Und
Frau Moosbach ist auf Kur. Die kann es auch nicht gewesen sein.«
»Und was ist mit dem Referendar,
von dem du erzählt hast?«
»Hm«, Haie fuhr sich durchs Haar.
Holger Leuthäuser war ein netter junger Mann. Leider ein wenig chaotisch. Vielleicht
hatte er etwas im Lehrerzimmer liegen lassen und war nach Haies Rundgang noch einmal
zurückgekehrt, um es zu holen.
»Möglich.«
»Wie schrecklich.« Marlene schlang
fröstelnd die Arme um ihren Körper. Sie hatte den angehenden Lehrer einige Male
getroffen, als sie Haie von der Arbeit abgeholt hatte. Ein sehr sympathischer Mann.
Und die Kinder liebten ihn. Mehrmals hatte sie beobachtet, wie eine Gruppe von Jungen
und Mädchen um ihn herumgesprungen war, als sie auf dem Schulhof gewartet hatte.
Die Vorstellung, Holger Leuthäuser könnte bei dem Feuer umgekommen sein, war entsetzlich.
»Meinst du, der Brandstifter hat
gewusst, dass da jemand in der Schule war, als er das Feuer gelegt hat?«
Haie nickte. Laut der Feuerwehr
war der Brand im Lehrerzimmer ausgebrochen. Und genau dort hatte man auch die Leiche
entdeckt.
»Warum tut jemand überhaupt so etwas?«,
fragte Marlene.
»Neid, Rache, Hass«, zählte Haie
einige mögliche Gründe auf, zuckte aber gleichzeitig mit den Schultern. Er konnte
nicht nachvollziehen, warum man durch die Gegend zog und anderer Leute Häuser anzündete.
»Nennt man das nicht Pyromanie?«,
warf Tom nun ein. »Ich habe da mal einen Bericht im Fernsehen drüber gesehen. Ich
glaube, das ist eine anerkannte Krankheit. Oft sind das wohl sogar Leute aus der
Feuerwehr.«
Haie schüttelte seinen Kopf. Er
konnte sich das nicht vorstellen. Wie konnte man sich auf der einen Seite dazu berufen
fühlen, Brände zu löschen und Menschen zu retten und auf der anderen Seite Häuser
anzünden und ganz bewusst mit dem Leben anderer Leute spielen? »Echt krank«, kommentierte
er die Erklärung des Freundes und blickte zur Uhr, die über der Eckbank an der Wand
hing. Es war ein Erbstück von Toms Onkel. Ebenso wie das Haus.
Als Tom vor einigen Jahren in das
Dorf gekommen war, um den Nachlass zu regeln, hatten sie sich kennengelernt. Gemeinsam
hatten sie einige Ungereimtheiten aus der Vergangenheit seines Onkels sowie das
Verschwinden eines kleinen Mädchens aufgeklärt. Seitdem waren die beiden befreundet.
»Ich glaub’, ich muss mal los.«
Er wollte duschen, bevor er später noch einmal zur Schule fuhr.
»Kommt ihr nachher mit?«
»Ja, klar«, bestätigte Tom, ohne
zu zögern.
»Tut mir leid, aber ich muss dringend
noch meine Präsentation für morgen vorbereiten.«
Marlene arbeitete am Nordfrisk Instituut,
eine wissenschaftliche Einrichtung, die sich für den Erhalt, die Pflege sowie die
Förderung der friesischen Sprache, Geschichte und Kultur einsetzte. Erst letzte
Woche hatte sie die Genehmigung für die Ausrichtung einer Storm Gedenkfeier bekommen.
Morgen um zehn Uhr sollte sie ihr Konzept vorstellen.
Haie, der sich ansonsten sehr für
Marlenes Arbeit interessierte, fragte diesmal jedoch nicht nach. Zu viele Gedanken
schwirrten ihm durch den Kopf. Wer hatte die Schule in Brand gesetzt? Warum? Und
handelte es sich bei der Leiche tatsächlich um Holger Leuthäuser?
»Papa?«
Thamsen saß völlig in Gedanken versunken
am gedeckten Frühstückstisch.
Nachdem die Spurensicherung ihre
Arbeiten abgeschlossen hatte und die Leiche abtransportiert
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