Nordfeuer - Kriminalroman
bei dem
Mädchen.«
Es entstand ein kurzer Moment der
Stille, in dem alle gespannt darauf warteten, was jetzt geschehen würde.
Diep, diep diep. Thamsen Handy klingelte.
»Kommissar Thamsen«, meldete er
sich. Er schielte zu dem dicken Mann, der beim Nennen seiner Berufsbezeichnung ein
ziemlich erstauntes Gesicht zog. Und sich langsam rückwärts verdrückte.
»Ja, ich verstehe. Ich komme gleich.«
Kaum eine halbe Stunde später parkte
er seinen Wagen vor dem Polizeirevier. Er hatte schnell noch die Kinder und seine
Mutter nach Hause gebracht.
Natürlich hätte er lieber das Gespräch
mit seiner Mutter fortgesetzt, aber daran war sowieso nicht mehr zu denken gewesen
nach dem Tumult am Badedeich. Und eigentlich war er froh, so der unangenehmen Diskussion
mit dem dicken Vater und seiner fetten Tochter entkommen zu sein.
»Dirk«, empfing ihn Haie Ketelsen
im Flur der Dienststelle. Er war überrascht, ihn hier zu sehen. Zwar hatte der Hausmeister
den Verdächtigen an der Grundschule gestellt, aber seine Kollegen hatten ihn sicherlich
nicht zusammen mit einem mutmaßlichen Täter im Wagen mitgenommen.
Haie jedoch war ein geübter Radfahrer
und in der Zeit, in der Thamsen von Dagebüll heimgefahren und seine Familie abgesetzt
hatte, war er längst nach Niebüll geradelt.
»Der ist da um die Schule geschlichen.
Das ist doch verdächtig, oder?«
Thamsen nickte. Er war mit seinen
Gedanken noch nicht ganz bei der Sache. Haie bemerkte das sofort. »Alles in Ordnung
zuhause?«
Dirk Thamsen schüttelte den Kopf.
»Mein Vater ist gestorben.«
»Oh«, Haie war überrascht, dass
Thamsen in dieser Situation überhaupt gekommen war. »Mein Beileid.« Er reichte ihm
die Hand.
»Danke.« Er spürte die ehrliche
Anteilnahme. Es tat gut.
»Möchtest du hier warten?«, fragte
er Haie. Normalerweise hätte er ihn nach Hause geschickt. Es war ja eigentlich nicht
erlaubt, zivile Personen in die Ermittlungen zu involvieren. Haie Ketelsen hatte
ihn allerdings schon des Öfteren unterstützt. Thamsen hatte das nie an die große
Glocke gehangen und immer versucht, den Hausmeister und seine Freunde so gut wie
möglich raus zu halten. Das war nicht immer einfach, denn die drei waren meist sehr
engagiert. Zumindest, wenn es um die Aufklärung eines Mordes an einem ihrer Freunde
oder Bekannten ging. Auch diesmal konnte er gut verstehen, warum Haie Ketelsen ein
gesteigertes Interesse an der Aufklärung des Falles hatte. Immerhin arbeitete er
schon viele Jahre an der Grundschule in Risum.
Und Thamsen konnte damit auch seine
Anwesenheit in dem Fall erklären.
Er bot Haie an, im Flur zu warten
und verschwand in seinem Büro. Dort hockte vor seinem Schreibtisch Jan Schmidt.
Mit dem Rücken zur Tür. Ein Kollege saß auf dem zweiten Stuhl und wartete gemeinsam
mit dem Verdächtigen auf Thamsen.
»Ich wusste nicht, ob ich dich oder
die Beamten aus Husum verständigen sollte«, entschuldigte er seinen Anruf an Thamsens
freien Tag.
»Schon in Ordnung«, nickte Thamsen
ihm zu. Zum Glück hatte der andere nicht die Husumer Kollegen gerufen. Die wollten
ihn ja ohnehin aus dem Fall drängen. Denen würde er es zeigen.
»Herr Schmidt«, er setzte sich vor
den Handwerksgesellen auf die Tischkante seines Schreibtisches und blickte auf den
Mann hinunter. »Dann erzählen Sie mir doch einmal, was genau Sie an der Grundschule
zu suchen hatten.«
Der junge Mann rutschte auf dem
schlichten Holzstuhl hin und her. »Ich wollte sehen, wo Katrin gestorben ist.«
»Sie meinen, wo man sie brutal umgebracht
hat«, korrigierte er ihn. Der Kopf des anderen schnellte in die Höhe. »Aber damit
habe ich doch nichts zu tun.« Aus seinem Blick sprach Panik.
»Sagt wer?« Thamsen blieb ganz ruhig,
obwohl es ihm schwer fiel, sich ganz und gar auf die Reaktionen seines Gegenübers
zu konzentrieren.
Jan Schmidt sackte bei der provokativen
Nachfrage leicht in sich zusammen. Wahrscheinlich wusste er selbst nur zu gut, wie
verdächtig er aus Sicht der Polizei war. Immerhin gab es niemanden, der sein Alibi
bestätigen konnte. Nach seinen Angaben hatte er in der Nacht, als Katrin Martensen
ermordet wurde und die Schule niederbrannte, brav in seinem Bett gelegen und geschlafen.
Und nun fiel er zusätzlich ins Visier der Fahnder, weil er am Tatort herumschlich.
Oder war es tatsächlich nur Neugierde gewesen, die den jungen Mann an den Ort des
Verbrechens geführt hatte? Thamsen kratzte sich sein Kinn.
»Wie gut waren Sie denn eigentlich
mit Katrin Martensen
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