Nordfeuer - Kriminalroman
von Katrin Martensen geworden. Thamsen glaubte, der
Täter hätte einfach ein Feuer nach gleichem Muster gelegt, damit der Brand an der
Schule mit einem Opfer nicht wie ein Einzelfall wirkte. Dumm war der Trittbrettfahrer
Dirk Thamsens Ansicht nach nämlich nicht. Was also, wenn Heiko Stein der Täter war
und, um von sich abzulenken, sein Haus tatsächlich selbst angezündet hatte?
Nur wie konnte er sicher sein, rechtzeitig
gefunden zu werden? Er hätte locker bei dem Brand draufgehen können. So schwer verletzt,
wie er war. Aber vielleicht wollte er genau das? Vielleicht hatte er mit der Schuld
nicht leben können? Haie schüttelte seinen Kopf. Die Frage konnte er momentan sowieso
nicht beantworten. Wohl aber konnte er helfen herauszufinden, warum einer der Verdächtigen
in diesem Mordfall am Tatort herumschlich.
»Du hast doch bestimmt ein Handy
dabei, oder?«
Jan Schmidt nickte und zog das mobile
Telefon aus seiner Jackentasche. Haie nahm es und wählte Thamsens Nummer in der
Polizeidienststelle. Er konnte sie mittlerweile auswendig. Doch anstelle des Kommissars
meldete sich ein Kollege.
»Können Sie einen Wagen schicken?«,
fragte Haie, »ich habe hier einen Verdächtigen, der am Tatort herumgeschnüffelt
hat.«
»Ihr Sohn hat meine Tochter mit seiner Schaufel geschlagen«, beschwerte
sich ein dicker Mann, der mit Timo im Schlepptau vor ihrem Strandkorb stand.
Thamsen sprang auf und blitzte seinen
Sohn wütend an. Allerdings war er mehr über die Störung ihres Gesprächs als über
die Prügeleien seines Sohnes erbost. Gerade jetzt, wo seine Mutter endlich mit der
Sprache herausrückte, was genau mit seinem Vater los gewesen war, meinte sein Sohn,
fremde Mädchen verhauen und sich dann auch noch erwischen lassen zu müssen.
»Tut mir leid«, entschuldigte er
sich für Timo und übernahm den Jungen von dem anderen Mann. Der gab sich mit der
Entschuldigung des Vaters allerdings nicht zufrieden und blieb wie angewurzelt vor
dem Strandkorb stehen.
»Is noch was?«, fragte Dirk Thamsen
gereizt, da er endlich ungestört mit seiner Mutter reden wollte.
»Er soll sich entschuldigen«, verlangte
der Mann.
Er knuffte seinen Sohn in die Seite.
Der murmelte ohne seinen Blick zu heben »Entschuldigung.«
Doch der Dicke blieb weiter vor
ihnen stehen.
»Nicht bei mir, sondern bei ihr.«
Der Mann trat zur Seite und gab
den Blick auf ein mindestens genauso dickes Mädchen frei. Man konnte sie schon als
fett bezeichnen. Ihr walrossartiger Körper war in einen pinkfarbenen Badeanzug gepresst,
der aus allen Nähten zu platzen drohte. Ihr Kopf thronte direkt auf den Schultern,
ein Hals war nicht auszumachen. Die Haut des Mädchens war krebsrot.
Einige Leute wissen gar nicht, was
sie ihren Kindern damit antun, dachte Thamsen und meinte mehr die Fettleibigkeit
als den Sonnenbrand, durch welchen das Mädchen sicherlich in späteren Jahren Hautkrebs
bekommen würde.
Wieder stieß er seinen Sohn an.
Doch der presste beharrlich seine Lippen aufeinander. »Timo, bitte«, forderte er
gereizt. Dieses ganze Schauspiel ging ihm ziemlich auf die Nerven. Er wollte endlich
erfahren, was mit seinem Vater war.
»Hören Sie«, wandte er sich deshalb
an den dicken Mann, als Timo weiterhin schwieg, »Sie wissen ja, wie das mit Kindern
ist.« Er stand auf und kramte aus seiner Hosentasche Geld hervor. »Kaufen Sie ihr
ein schönes Eis und wir vergessen die ganze Angelegenheit.«
Mit ausgestrecktem Arm bot er dem
anderen ein Fünf-Mark Stück an. »Sie mag kein Eis.«
Thamsen bezweifelte das, wenn er
sich das Kind so anschaute. Aber seine Geduld war nun wirklich mehr als überstrapaziert.
»Dann gehen Sie einfach so. Wenn
er sich nicht entschuldigen möchte, dann hat das wahrscheinlich auch einen Grund.
Vielleicht hat ja die Qualle selbst angefangen zu ärgern.«
Das mit der Qualle war ihm aus Versehen
rausgerutscht und als er in das Gesicht seines Gegenübers blickte, tat es ihm auch
sofort leid. Er wusste genau, damit hatte er die Diskussion um diesen albernen Streit
der Kinder nun auf die Väter verlagert.
Wie ein Fisch auf dem Trockenen
schnappte der andere nach Luft. Thamsen konnte seinen Blick nicht von den wulstigen
Lippen lösen, aus denen sich wahrscheinlich gleich eine feuchte Schimpftirade über
ihn ergießen würde. Doch bevor die Situation weiter eskalierte, mischte sich schließlich
seine Mutter ein.
Sie fasste den Enkel an den Schultern
und übte leichten Druck aus. »So, Timo, nun entschuldigst du dich, bitte,
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