Nordfeuer - Kriminalroman
befreundet?« Der junge Mann blickte ihn an, als verstünde er
die Frage nicht.
»Waren Sie ein Paar?«, versuchte
Thamsen, als keine Antwort kam, konkreter zu werden.
»Nein, kann man so nicht sagen.«
»Sondern?«
»Na ja«, Jan Schmidt rutschte auf
dem Stuhl hin und her und vermittelte daher den Eindruck, als habe er etwas zu verbergen.
Warum sonst konnte man auf eine entweder-oder Frage keine klare Antwort geben?
Normalerweise hätten Thamsen das
Rumgehampel und die Ausreden fuchsig gemacht, aber heute fühlte er sich innerlich
ruhig. Beinahe wie gelähmt oder betäubt und hatte daher auch keine Mühe, geduldig
auf die Antwort des Verdächtigen zu warten.
Seine Welt war ohnehin in den letzten
Stunden ein wenig aus den Fugen geraten. Der Tod seines Vaters und die Gewissheit,
es hatte tatsächlich etwas an dem Verhältnis zwischen ihm und Hans Thamsen nicht
gestimmt. Da gab es etwas. Er hatte es immer geahnt. Nur was, das wusste er noch
nicht und irgendwie war er sich nicht sicher, ob er es überhaupt noch wissen wollte.
Was änderte es jetzt, wenn seine
Mutter ihm erzählte, warum sein Vater ihn nie als Sohn akzeptiert hatte? Vielleicht
war es besser, wenn sie schwieg? Er starrte vor sich hin, während er überlegte und
setzte Jan Schmidt damit unbewusst unter Druck.
Ganz ohne weiteres Nachfragen erzählte
der junge Mann, er habe Katrin Martensen angeblich geliebt und sei ebenso wie die
anderen Männer im Dorf natürlich hinter ihr her gewesen.
»Sie war immerhin das schärfste
Mädchen im Dorf. Schon immer.«
Einmal, da hätten sie auch etwas
miteinander gehabt. Aber das sei schon lange her. Trotzdem hatte er sich Hoffnungen
gemacht. Konnte da vielleicht doch noch einmal mehr aus ihnen werden?
»Als ich sie jedoch beim Tanz in
den Mai zuerst mit Holger und anschließend mit Heiko habe verschwinden sehen, war
mir klar, für Katrin war es nur ein Spiel.«
»Aber für irgendjemanden war das
kein Spiel.«
Thamsen hatte seine eigenen Grübeleien
zur Seite geschoben und lenkte nun wieder das Verhör in die richtigen Bahnen.
»Anscheinend«, bestätigte Jan Schmidt.
Er schien froh, den Verdacht auf jemand anderen lenken zu können.
»Wahrscheinlich war es doch Heiko«,
versuchte er dieselben Argumente wie Haie gegenüber vorzubringen.
»Das können wir ihn ja einfach fragen.«
Thamsen beobachtete sehr genau die Reaktion des Tischlergesellen, der wahrscheinlich
mit dieser Option nicht gerechnet hatte.
Seit Heiko Stein im Koma lag, war
er irgendwie im Dorf als Zeuge abgeschrieben. Beinahe, als sei er bereits tot. Dabei
hatten die Ärzte begonnen, ihn langsam aus dem Heilkoma aufzuwecken. Schon bald
rechnete Thamsen damit, den jungen Mann vernehmen zu können.
Jan Schmidt lehnte sich plötzlich
in seinem Stuhl zurück und lächelte beinahe.
»Ja, das können wir.«
25.
»Was ist?«, fragte Haie erstaunt, nachdem Jan Schmidt das Büro verlassen
und durch den Flur zum Ausgang gegangen war. »Wieso hast du ihn nicht festgenommen?«
»Weil nichts gegen ihn vorliegt«,
erklärte Thamsen und räumte seine Sachen zusammen.
»Und sein Herumschleichen an der
Schule?« Haie verstand nicht, wie Dirk Thamsen den jungen Mann einfach gehen lassen
konnte.
»Macht ihn zwar verdächtig, aber
beweist noch lange nichts. Du bist ja schließlich auch da gewesen.«
»Das ist doch etwas völlig anderes.«
Da musste Thamsen ihm leider recht
geben, dennoch lag gegen Jan Schmidt nichts Konkretes vor, was eine Festnahme gerechtfertigt
hätte.
»Vielleicht bringt uns Heiko Stein
ja weiter. Morgen kann ich ihn besuchen und das erste Mal befragen. Allein.« Fügte
er hinzu, als er sah, wie Haie bereits die Ohren spitzte.
»Ich muss jetzt auch los«, entschuldigte
er seine Geschäftigkeit. Er hatte ein paar Akten unter den Arm geklemmt und stand
vor Haie, der nach wie vor im Türrahmen lehnte.
Thamsen wollte nun so schnell wie
möglich das Gespräch mit seiner Mutter führen. In dem Fall gab es ohnehin momentan
nichts zu tun. Bis morgen jedenfalls.
»Ich rufe dich an«, verabschiedete
sich Thamsen.
Er fuhr wie in Trance zum Haus seiner
Eltern, denn mit den Gedanken war er woanders, als beim Geschehen auf der Straße.
Automatisch stoppte er den Wagen und stellte den Motor ab. Bewegungslos blieb er
einige Augenblicke sitzen, ehe er Luft holte und ausstieg.
Seine Mutter saß mit den Kindern
am Abendbrottisch. Sie sah müde aus, dennoch glaubte er, die Ablenkung tat ihr gut.
»Was hältst du davon, wenn wir heute
Nacht
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