Nordfeuer - Kriminalroman
angerufen«, Haie stand vor
der Haustür, als Marlene ihren Wagen vor dem Haus parkte und ausstieg. Sie war das
erste Mal nach der Hochzeit wieder im Institut gewesen und ihr brummte der Schädel.
Das lag allerdings weniger an der
Arbeit, sondern vielmehr an den Glückwünschen der Kollegen. Die Mitarbeiter des
Instituts hatten einen kleinen Empfang organisiert und ihr alle zur Hochzeit gratuliert.
»Wie war es denn? Hat alles geklappt? Warst du sehr aufgeregt?« Die Fragen der Kolleginnen
hatten beinahe kein Ende genommen.
Sie war kaum zum Arbeiten gekommen
und hatte daher eine Menge Schreibkram mit nach Hause genommen.
»Sie sagt, er darf schon wieder
Besuch empfangen.«
Da Haie so gut wie jeden im Dorf
persönlich kannte, hatte er keine Scheu gehabt, Inge Stein anzurufen und nach dem
Gesundheitszustand ihres Sohnes zu fragen. Es hatte ihm keine Ruhe gelassen, und
da Thamsen sich partout nicht meldete, hatte er sich selbst die neuesten Informationen
verschafft.
»Und du meinst, wir sollten deshalb
mal nach Kiel fahren?« Marlene ahnte sofort, worauf der Freund hinaus wollte.
»Warum nicht? Unsere Landeshauptstadt
ist doch immer eine Reise wert.« Er grinste.
Doch Marlene stand heute nicht der
Sinn nach einem Ausflug. Außerdem war Tom noch in Husum und sie wusste nicht, wann
er nach Hause kam.
»Vielleicht morgen«, entgegnete
sie, woraufhin Haie das Gesicht verzog. Irgendwie gewann er den Eindruck, niemand
sei wirklich an der Aufklärung des Mordes interessiert. Thamsen schien vom Erdboden
verschluckt und war mehr mit sich selbst als dem Fall beschäftigt. Die Eltern wollten
dem Ansehen der toten Tochter nicht schaden und verhielten sich daher ruhig, und
alle anderen schien der Fall, seitdem der Brandstifter gefasst war, auch nicht mehr
sonderlich zu interessieren.
»Dann fahre ich eben alleine«, schmollte
er. Marlene musste lächeln. Wie konnte ein erwachsener Mann sich nur wie ein beleidigtes
Kind aufführen. Aber eigentlich hatte er ja recht. Im Dorf lief wahrscheinlich immer
noch ein Mörder frei herum, der eine junge Frau auf dem Gewissen hatte. Da konnte
man wirklich nicht tatenlos zusehen.
»Aber erst einmal rufen wir Dirk
an«, bestimmte sie und Haies Miene hellte sich sofort auf.
Sie gingen
ins Haus und Marlene rief Thamsen an.
»Ach so, ja, Heiko Stein habe ich
befragt«, antwortete er auf ihre Frage, ob er das Brandopfer bereits besucht hatte.
»Und?« Sie stellte den Apparat auf
laut, damit Haie mithören konnte.
»Hat nichts gebracht. Der leidet
unter einer Amnesie und kann sich an nichts erinnern.«
Haie stöhnte leise, aber Thamsen
hörte ihn trotzdem.
»Das ist doch Haie bei dir, oder?«
»Ich habe leider auch keine Neuigkeiten«,
gab der Freund sich zu erkennen und erzählte von seinem Besuch bei den Martensens.
»Aber der Mord
hat bestimmt was mit diesen Männergeschichten zu tun«, beharrte er am Ende seines
Berichtes. »Ist doch schon verdächtig, wenn die Eltern partout nichts von den Beziehungen
wissen wollen.«
»Ich finde viel interessanter, warum
sie nichts von dem Typen im Laden ihres Sohnes wissen«, bemerkte Thamsen. Für ihn
war der Mitarbeiter nicht nur ein flüchtiger Bekannter, der in dem Geschäft aushalf.
Außerdem, wenn Erk Martensen eine
Freundin hatte, wieso gab die ihm nicht ein Alibi? Nach wie vor kam ihm die Geschichte
merkwürdig vor.
Zumal Lars Liedtke den Mord ebenso
wie den Brand bei Heiko Stein weiter vehement abstritt. Das jedenfalls hatten die
Kollegen aus Husum am Morgen in der Besprechung erzählt. Sie schienen Stück für
Stück ratloser und hatten erstmals die Möglichkeit eines zweiten Täters in Betracht
gezogen. Doch Thamsen hatte tunlichst vermieden, ihnen etwas von Jan Schmidt oder
Holger Leuthäuser zu erzählen. Und natürlich hatte er auch nichts von dem Streit
zwischen dem Mordopfer und dessen Bruder erwähnt. Er mochte die beiden Beamten nicht
und so wie er sie einschätzte, waren die glatt in der Lage, seine Ermittlungen als
die ihrigen zu verkaufen, und sollte der Täter tatsächlich gefasst werden, die Aufklärung
des Falls einzig und allein ihren Ansätzen zuzuschreiben. Doch das konnten sich
die beiden Lackaffen, die sich ohnehin für etwas Besseres hielten, abschminken.
Zwar war sein Verhalten nicht gerade förderlich für die Aufklärung des Falls, aber
so einfach würde er sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.
»Du hast recht, Haie«, stimmte er
daher dem Hausmeister zu, »wir sollten doch die Männerbekanntschaften
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