Nordmord
Supertypen kennengelernt oder es ist tatsächlich etwas passiert.«
Er blieb plötzlich stehen. »In Husum ist sie jedenfalls noch
gewesen.«
Er deutete mit seiner Hand die Straße entlang. Einige Meter
entfernt stand der rote Polo am Straßenrand:
›NF-HA-2307‹.
Er hatte sich das Nummernschild notiert.
»Was für ein Saustall!«
Haie blickte neugierig in den Wagen. Überall stapelten sich
Klamotten, im Fußraum lagen ein Pizzakarton, angebrochene Cola- und
Fantaflaschen und auf dem Beifahrersitz eine Handtasche.
»Sagtest du nicht, sie sei verabredet gewesen? Wieso liegt
dann ihre Tasche im Auto?«
Tom blickte nun ebenfalls ins Wageninnere. Das war wirklich
merkwürdig. Er konnte sich kaum eine Frau vorstellen, die ohne ihre Handtasche
zu einer Verabredung ging. Die Tasche so offensichtlich im Auto zu deponieren,
das grenzte schon an Dummheit. Da war ein Einbruch ja quasi vorprogrammiert.
»Komm, lass uns mal den Wirt befragen, ob sie überhaupt da
gewesen ist.«
Sie gingen zurück zur Osterende, der Straße, an der das
›Einstein‹ lag. Das rote Backsteinhaus mit der Leuchtreklame sah verlassen aus.
»Mist!« Tom blickte auf seine Armbanduhr. »Die machen erst in
einer Stunde auf!«
Er spähte durch eines der
Fenster ins Innere der Kneipe. Sie war rustikal, aber sehr ansprechend
eingerichtet. Haie studierte in der Zwischenzeit die Speisekarte.
»Da ist jemand!«
Tom klopfte laut gegen die Fensterscheibe.
»Hallo! Hallo?«
Die Tür wurde geöffnet. Ein kleiner, schmächtiger Mann mit
Schnauzer trat heraus.
»Tut mir leid, aber wir öffnen erst in einer
Stunde.«
»Ich weiß, ich weiß. Ich bin Tom Meissner und das ist mein
Freund Haie Ketelsen.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf den Freund.
»Wir haben nur ein paar Fragen. Haben Sie kurz Zeit?«
»Sind Sie etwa von der Polizei?« Der Mann runzelte seine
Stirn.
Tom bemühte sich, möglichst schnell zu erklären, dass sie
nichts mit der Polizei zu tun hatten. Das Gesicht des Mannes wurde
freundlicher.
»Wir suchen diese Dame. Sie soll am Montagabend hier
verabredet gewesen sein.«
Aus seiner Jackentasche hatte er das Foto herausgezogen,
welches Marlene ihm zugesteckt hatte. Es zeigte die Freundinnen vor dem
Hamburger Michel.
»Da muss ich meine Brille holen. Kommen Sie doch kurz
herein.«
Sie folgten dem Mann in die Kneipe. Er bot ihnen an, an der
Theke Platz zu nehmen. Hinter dem Tresen suchte er nach seiner Brille, fand sie
zwischen zwei Whiskyflaschen.
»Ja, die war am Montag hier. Hübsches Ding, ist mir gleich
aufgefallen.« Er lächelte.
»Da drüben hat sie mit so
einem Typen gesessen.«
Mit der Hand zeigte er auf einen der Tische. Dann erzählte
er, dass das Paar sich in die Haare bekommen hatte. Sie hatte ihm Papiere
gezeigt und er war ziemlich laut geworden. Als er bemerkt hatte, dass die Leute
um ihn herum alle zu ihnen herüberschauten, war er aufgesprungen und hatte das
Lokal verlassen. Sie hatte kurze Zeit später die Rechnung gezahlt und war
ebenfalls gegangen.
»Hatte sie eine Handtasche dabei?«
»Hm, ich glaube schon.«
Sie wählte zum wiederholten Male die Nummer von
Malte Nielsen.
»Hallo?«
Sie erschrak.
»Ich, ich bin Marlene. Marlene Schumann.«
»Und?«
Sie räusperte sich.
»Ich bin eine Freundin von Heike. Sie, sie ist verschwunden.«
Eine panische Angst ergriff sie plötzlich bei diesen Worten.
Ihr Körper verkrampfte sich, ihr wurde übel. Tausend Gedanken wirbelten durch
ihren Kopf, ließen sie schwindeln. Dann löste sich plötzlich eine Träne. Und
noch eine und noch eine. Sie begann, hemmungslos zu schluchzen.
»Aber, aber«, tönte es aus dem Hörer, »sie wird sich schon
nicht in Luft aufgelöst haben. Am Montag jedenfalls wirkte sie noch völlig
fidel.«
Sie horchte auf.
»Sie haben Heike am Montag gesehen? Dann waren Sie ihre
Verabredung? Ich muss Sie treffen. Wahrscheinlich waren Sie der Letzte, der sie
gesehen hat! Kann ich zu Ihnen kommen? Wann können wir uns sehen?«
Malte Nielsen holte tief Luft. Es entstand eine kurze Pause.
»Morgen um 12 Uhr in ›Fiedes Krog‹.«
8
»Soll ich nicht doch mitkommen?«
Tom beobachtete Marlene, die sich im Badezimmer schminkte.
»Besser nicht. Dieser Malte klang merkwürdig am Telefon.
Nicht, dass wir ihn verschrecken, wenn wir da zu zweit auftauchen.«
Sie zog ihre Jacke an und verabschiedete sich mit einem Kuss.
An ›Fiedes Krog‹ war Marlene schon häufig vorbeigekommen,
aber
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